Das Isaac-Quartett
aufzubürden, einen kleinen Coen. Doch Marilyn war ein hartnäckiges Geschöpf. Sie besänftigte das heftige Pochen in Coens Kiefer mit ihrer Wange. Sie brachte Verständnis für die Tiefen dieses Bullen ihres Vaters auf. Er war ein schüchterner Junge, eine gut aussehende jüdische Waise mit dem Hang, alle Traurigkeit der Bronx in sich zu schlucken: Beide Elternteile hatten Selbstmord begangen. Sie löste die angespannten Punkte in seiner Kehle mit der Haut auf ihrer Schulter und der kräftigen Membrane ihres Ohrs.
Marilyn hatte das Telefon nicht eingeplant. Coen war schneller aus ihr draußen, als sie den Hörer unter das Bett kicken konnte. » Fuck«, sagte sie, weil ihr nichts anderes einfiel.
Sie kauerte sich neben Coen, um ihren Vater zu hören. Er rief vom Times Square an. »Manfred«, krächzte er, »Marilyn hat wieder mal ihren Mann verlassen. Hat sie sich bei dir gerührt?«
»Nein«, sagte Blue Eyes. Marilyn war froh, dass seine Erektion unter der Nötigung ihres Vaters nicht verging.
»Bleib, wo du bist«, sagte Isaac, »Sie kommt immer zu dir.« Coen kam ohne Schwanz ins Bett zurück. Marilyn konnte dem Bullen nicht böse sein. Ihr Vater hatte halb New York City an den Eiern.
»Isaac ist nicht blöd«, sagte sie. »Er hat meine Routen in seinem Kopf aufgezeichnet wie einen Monopolyspielplan. Er kennt all meine Rastplätze, mein Erzeuger. Jedes Wasserloch.«
»Sei nicht so sauer, Marilyn. Er sorgt sich um dich.«
»Wach auf, Manfred. Dir gehts doch keinen Deut besser als mir. Wir stehen beide auf Isaacs Verlustliste! Sind wir nicht beide geschieden?«
Sie hatte Manfred zum Lachen gebracht. Sie hätte sich in ihn verlieben können, vielleicht jedenfalls, wenn er die Unverschämtheit besessen hätte, sein Dienstabzeichen zu zerknüllen und Isaac ins Gesicht zu spucken. Doch sie sollte nicht zu grob zu ihm sein, ihn mit ihren Fantasien und Erwartungen würgen. Coen war Coen.
Isaac war nicht für die Abteilung des First Deputy auf dem Times Square, hing in runtergekommenen Bars rum und sah durch die Schaufenster von Pornoläden. Er war auf einer privaten Mission. Mit einem Foto in der Faust sprang er rein und raus aus dem Wagen. Der First Deputy hatte ihm seine Privatlimousine zur Verfügung gestellt, einen dicken Buick mit kugelsicheren Scheiben. Den Chauffeur des First Dep nahm er nicht an. Isaac hatte seinen eigenen Fahrer. Fat Brodsky, ein Kriminalbeamter mit Schweinsäuglein, der tat alles für Isaac.
»Wer ist die Kleine, Isaac? Du sagst, du hättest sie nicht mehr gesehen, seit sie fünf war. Wie willst du sie nach einem blöden Foto erkennen?«
»Lass das meine Sorge sein«, sagte Isaac. In der Nähe der sechsundvierzigsten Straße fand er ein Mädchen mit Knubbelnase und einem hochsommerlichen Rock – es war Februar. Er öffnete ihr die Tür. »Steig ein, Honey Shapiro.«
Das Mädchen hatte Striemen auf seinen bloßen Kniescheiben.
Sie blickte Isaac finster an. »Ich bin Naomi, Mister. Wer sind Sie?«
Er packte sie und zerrte sie auf seinen Schoß, aber er konnte die Tür nicht zumachen. Honey trat zu heftig um sich. Isaac musste aufpassen, dass sie ihm nicht ins Ohr biss.
»Was soll das? Sie gehören nicht zur Sitte. Die Typen kenne ich alle.«
Sie schrie nach ihrem Beschützer, einem Ganoven namens Ralph, der in seinem Ledermantel von der Fünfundvierzigsten rüberrannte. Brodsky brachte ihn mehr aus der Fassung als Isaac. Der Chauffeur hatte seine Pistole auf Ralphs Leistengegend gerichtet.
»He, Bruder«, sagte Ralph an Isaac gewandt. »Was ist hier Sache?« Ralph griff nicht nach seinem Geldclip. Der Buick gebot Vorsicht. Wald- und Wiesenbullen kutschierten nicht mit dermaßen auffälligen Wagen herum.
»Wollen Sie sie abschießen?«
»Nein«, sagte Isaac. »Sie geht nach Hause zu ihrem Vater.«
»Erzähl mir keinen Scheiß, Mann. Soll ich dir ’nen Hut kaufen? Die Feder musst du selber zahlen. Höher als fünfzig geh ich heut nicht.« Dann sah er die blauen Zacken auf Isaacs Dienstabzeichen. Ihn fröstelte unter seinem Mantel. Ralph kannte sich mit den Sitten der Reviere von Manhattan aus; die Zeichen von Kriminalern hatten keine blauen Zacken.
Isaac sprach durch die Scheibe mit ihm. »Lass die Finger von Honey Shapiro, verstanden? Wenn ich sie noch einmal oberhalb der vierzehnten Straße finde, schlag ich dir eigenhändig die Fresse ein.« Er gab Brodsky ein Zeichen und Ralph winkte dem Buick mit schlotternden Knien nach. Er mochte es nicht, wenn man ihn
Weitere Kostenlose Bücher