Das Isaac-Quartett
London gehörte, Menschen mit einem deftigeren Vokabular als ihre Yankeenachbarn. Und doch zog er die Essex Street, an der seine Mutter einen Trödelladen betrieb, den Londoner Juden des West Broadway vor, ebenso dem Riverdale eines Brodsky und Kathleen, seiner Ehefrau, mit der er sich auseinandergelebt hatte.
Der Chauffeur hielt vor der Picklefabrik an der Essex, Ecke Broome, um sich ein Glas geraspelten Meerrettich zu kaufen, rein und weiß und ohne den süßenden Effekt der Roten Bete. Nur ausgetrocknete Weiber und Lackaffen aus dem Büro des Staatsanwalts kauften roten Meerrettich. Er steckte seine Nase in das Glas, roch, bis ihm Tränen in die Augen traten, und erholte sich gerade noch rechtzeitig, um zu beobachten, wie Isaac an Sophie Sidels Trödelladen vorbeiging.
»Willst du nicht bei deiner Mutter vorbeischauen, Isaac?«
Der Chef antwortete nicht darauf. »O’Roarke braucht seinen Wagen, Brodsky. Bring ihn zurück.«
Isaac hoffte, seiner Mutter zu entkommen. Zu viele Dinge, die er nicht erklären konnte, gingen in seinem Kopf vor. Er würde sie nach Paris besuchen, nicht vorher. Isaac trat in Huberts Feinkostgeschäft fünf Häuser weiter. Der Laden schien völlig in Ordnung zu sein; der Dampf der Fischbällchen beschlug das Glas der Theke, und auf dem Herd kochten etliche Töpfe mit Pudding blubbernd runter, aber mit Hubert selbst stimmte etwas nicht. Der kleine Mann mit den eckigen Schultern und der zottigen Löwenmähne hatte Beulen auf seinem Schädel und ein paar Blätter Toilettenpapier bedeckten dunkle Flecke auf seiner Kinngegend.
»Was ist passiert, Hubert?«, fragte Isaac und setzte sich auf seinen Lieblingsstuhl. »Hast du heute Morgen beim Rasieren nur ein Auge aufgemacht?« Isaac hätte nicht gewusst, warum er mit etwas Schlimmem rechnen sollte. In dem Feinkostgeschäft fühlte er sich zu Hause. Andere hohe Kriminalbeamte saßen in erlesenen Muschelrestaurants an der Mulberry und der Grand, Ellbogen an Ellbogen mit Mafia-Leutnants und hoffnungsvollem Nachwuchs. Doch Isaac saß allein. Bei Hubert konnte er den Sprüngen in den Wänden ohne Unterbrechungen folgen. Hubert war in fünfzehn Jahren kein Cent aus seiner Ladenkasse gestohlen worden. Die Einbrecher der East Side hatten es sich zur Gewohnheit gemacht, ihre Schritte südlich an dem Feinkostgeschäft vorbeizulenken. Wenn sie doch bei Hubert vorbeischauten, um sich über einer winterlichen Tasse Tee die Hände zu wärmen, ließen sie betont reichliche Trinkgelder zurück.
Der Chef war nicht unsensibel. Als der große Löwenkopf nicht sofort einen Flunsch zog und im Elan des Dienstes am Kunden Haferschleim auf das Tischtuch schüttete, nahm Isaac einen neuen Anlauf.
»Wer war es? Weiß oder schwarz?«
»Schneeweiß«, sagte Hubert.
»Wie viel haben sie mitgenommen?«
»Nichts. Sie haben die Kasse nicht angerührt, nur ein paar Stühle demoliert, mich zusammengeschlagen, und weg waren sie.«
»Was hatten sie an, Hubert?«
»Armeejacken, Marinejacken, wer erinnert sich schon an so was? Über den Gesichtern hatten sie Skimützen.«
»Wie kannst du dann so sicher sagen, dass sie weiß waren?«
»Wegen der Hände, Isaac. Wegen der Hände. Ein Mädchen war auch dabei. Ich bin kein Detective, aber ich erkenne die Form von Titten.«
»Wann ist das passiert?«
»Gestern. Direkt vor Ladenschluss.«
»Wie kommt es, dass ich das erst einen Tag später erfahre?«
»Schluss mit der Inquisition, Isaac. Bitte. Das ist nichts für die Polizei. Verrückte Kinder. Es hätte jeden anderen erwischen können.«
»Sicher doch«, sagte Isaac mit kratziger Stimme. »Das war bloß ein Aprilscherz. Komisch, dass es erst Februar ist. Dein Geld war ihnen zu gut. Deshalb haben sie sich an deinem Schädel gütlich getan. Wie viele waren es?«
»Drei.« In Huberts Mund sammelte sich Spucke.
»Ich bin eine Woche weg. Einer von meinen Männern wird sich die Sache anschauen.«
Die Beulen auf dem Löwenkopf liefen dunkel an. »Ich will keinen Schläger in meinem Laden, Isaac. Brodsky hat breite Ellbogen. Neben ihm hat niemand Platz, um eine Suppe zu trinken.«
»Ich schicke dir Coen. Er nimmt wenig Platz weg und wird deine Kunden mit seinen blauen Augen in den Schlaf wiegen.«
Isaac klopfte an das Fenster der Milchbar in der Ludlow Street; nach Möglichkeit mied er dieses Lokal. Es war gerammelt voll mit hungrigen Stückeschreibern und Studenten, die versuchten, Isaac in ein Gespräch über Spinoza, Israel, die Brutalität der Polizei und über die
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