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Das Isaac-Quartett

Das Isaac-Quartett

Titel: Das Isaac-Quartett Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jerome Charyn
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»Muss ich deinetwegen leiden?« Isaac musste Davey und Michael an den Hosenböden ihrer Jagdanzüge packen, ehe er an Leo rankam.
    »Geh wieder in dein Gefängnis, Leo. Ohne dich kommen die Wächter nicht zu ihrem Binokel.«
    Leo taumelte auf den Ausgang zu; Krankenschwestern, Patienten und Besucher drangen aus den Türen und starrten ihn mit Abscheu in den Augen an. Davey und Michael sahen ihrem Vater finster nach. Selma fing an, sich auf dem Boden zu krümmen. Spucke sammelte sich unter ihrer Nase. »Er hat meine Innereien kaputt gemacht … O mein Gott … oh, oh.« Selma schnitt Grimassen und quetschte sich die Rippen. »Helfen Sie mir. Krankenschwester! Krankenschwester!« Die Jungen beugten sich über ihre Mutter, abgekämpft, doch entsetzt über die schlangenartigen Bewegungen ihres Körpers. Isaac schätzte Selmas Winden richtig ein. Ihr Auswurf war nicht trüb; er konnte keine Blutsprenkel finden. Ihre Schreie waren zu rhythmisch. Er beugte sich über sie und drehte seinen Kopf so, dass die Jungen ihn nicht verstehen konnten. »Auf die Füße, Schwägerin. Wenn du glaubst, dass du hier ein Schmerzensgeld rausschlagen kannst, hast du dich getäuscht. Wenn du mit dem Gedanken spielst, dich ins Krankenhaus zu legen, kannst du meine Meinung dazu hören. Auf einigen Stationen hängen Handschellen von den Betten. Ich sperre dich ein, Schwester. Wir sind hier im Bellevue, erinnerst du dich? Es sind Fälle bekannt geworden von Leuten, die für Jahre in die Irrenabteilung gewandert sind.«
    »Arschgesicht«, zischte Selma an Isaacs Brust, während sie sich die Strümpfe hochzog. Die Jungen beobachteten das Wunder der Auferstehung ihrer Mutter. Sie schmiegten sich an sie, stießen Isaac mit hinterhältigen kleinen Ellbogen fort.
    Marilyn stand lächelnd in der Türfüllung. Isaac war, wie jeder jüdische Patriarch, der Qual einer Horde von Verwandten ausgesetzt. Er kittete die Familienbande. Die Sidels wären schon längst verbröselt, wenn Isaacs Dienste nicht gewesen wären. Er besänftigte, er schlug zu, er flickte kaputte Drähte, Marilyns unglaublicher Papi.
     
    Die Polizeireporter wünschten eine Konferenz in den Räumen des Police Commissioner, weil sie sich gern Teddy Roosevelts Einrichtung ansahen; Draperien, ein gigantischer Schreibtisch, Porträts von Teddy an der Wand. Isaac ließ es nicht zu. Er pferchte die Reporter in sein eigenes Büro, in dem es keinen offenen Kamin gab, keinen Marmor, keine Kronleuchter, keine edlen Hölzer an den Fenstern, keinen Schreibtisch mit historischen Ritzen und Schrammen und einem geräumigen Loch, das für die Knie eines künftigen Präsidenten der Vereinigten Staaten gezimmert worden war; es erinnerte höchstens an den früheren vollgestopften Zeitschriftenkiosk an der Baxter Street. Isaac sorgte nicht für belegte Brötchen und stellte auch keinen Polizeiwachtmeister in schmuckem Uniformrock, der die Reporter verwöhnte; Brodsky wurde zu seinem Pressesekretär gemacht. Der Chauffeur lief geschäftig mit Umschlägen herum, die sich auf den Fall der Lollipops bezogen.
    Der Chef berichtete in einfacher Sprache von Ruperts und Stanley Chins Seitensprung nach Chinatown, keine Übertreibungen, kein Zwinkern, kein Beiwerk aus Anekdoten oder den Manierismen Barney Rosenblatts – mit Begeisterung rasselte Cowboy vor den Reportern mit seinen Manschettenknöpfen. Brodsky hörte kein Kratzen von Füllfedern. Die Reporter hatten die Köpfe schräg gelegt und drückten ihre Notizblöcke an sich. Der Mann von der Times ging als Erster auf Isaac los. Konnte der Chef ihn aufklären? Wie interpretierte das Büro des First Deputy das Auftreten von jugendlichen Banden wie den Lollipops, die ohne ersichtlichen Grund alte Männer und Frauen zusammenschlugen und sich der sinnlosen Zerstörung hingaben?
    »Dieses Phänomen ist weltweit verbreitet«, sagte Isaac und kraulte sich am Kinn. »In Paris ist es genauso. Die französische Polizei kann jeden Spitzenverbrecher in ihrer Kartei abrufen, aber jugendliche Banden sind es – Lollipops – die die Champs-Elysées übernehmen. Banküberfälle durch Babys. Gesichtslos und namenlos. So ein Billy the Kid mit einem billigen Taschentuch auf der Nase.«
    »Oder ein Robin Hood«, sagte Tony Brill, der fette Mann mit dem Presseausweis von The Toad, weder Brodsky noch Isaac war er jemals im Präsidium aufgefallen.
    Isaac sah den Mann vom Toad böse an und überhörte den Robin Hood. »Achtjährige Einbrecher und Vergewaltiger in New York«, sagte er.

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