Das Isaac-Quartett
drohen.«
Zuckerdorff kicherte hinter seinen Fingern. Seine Schädelknochen wackelten. »Liebe Freunde, Sie sollten dieses Gebäude besser räumen. Weil eure Marken sonst gleich in meiner Kloschüssel liegen. Solltet ihr jedoch warten wollen, kann ich euch einen zauberhaften roten Tee machen.«
Isaac fragte sich, ob die Marranen Marmelade oder Blut in ihre Teeschalen gossen. Darauf war er neugieriger als auf die Identität von Zuckerdorffs Wohltäter.
Ein Mann kam in den Keller getrampelt. Er muss dicke Sohlen haben, dachte Isaac. »Von welchem Revier kommen Sie?«, knurrte der Mann, ehe er Isaac anschaute. »Wollt ihr eure Hände in Fremde Taschen stecken? Euch breche ich die Finger.«
Isaac erkannte Zelmo Beard, einen ramponierten Detective vom Einbruchstrupp. Zelmo sah Isaac in die Augen. Sein Kinn fiel herunter. Seine Ohren schienen sich in seinen Hals zu verkriechen. Er tanzte in seinem ausgebeulten Mantel herum und kippte gegen die Wand von Konfektionskartons. Zuckerdorff hatte eine gewisse Art von Vorahnung, die ein Verkäufer von beschädigten Blusen gebrauchen konnte. Er blinzelte Isaac an. Dieser Bulle besaß eine Fähigkeit zum wahren Übel, etwas Teuflisches. Wie sonst hätte sich Zuckerdorff den explosionsartigen Ausbruch roter Flecken auf Zelmo Beard erklären sollen?
Zelmo machte jetzt Kniebeugen vor Isaacs Schenkeln. »Chef, ich wusste doch nicht, dass sich der First Dep Für Zuckerdorff interessiert … Er nimmt nur Pfennigbeträge ein, das schwöre ich Ihnen. Handelt mit Abfall. Er ist ein prächtiger Trödler.«
»Zelmo, ich dachte, du hättest mehr Verstand. Warum setzt du deine Muskeln Für eine Familie ein, die mir ständig zur Last fällt?«
»Isaac, Zorro ist mir scheißegal.«
»Dann beweise es. Ich will, dass er keinen Umschlagplatz mehr für seine kleinen Mädchen findet. Wohin Zorro sich auch wendet, du bleibst ihm auf den Fersen, Zelmo, verstanden? Mit Zuckerdorff kannst du gleich anfangen. Überschütte ihn mit Vorladungen, Feuerlöschermissbrauch und dem ganzen anderen Krempel. Dann wird Zorro wissen, dass ich ihn grüßen lasse. Gehen wir, Brodsky.«
Der Chauffeur sonnte sich auf der Tenth Avenue. Sein Boss musste der größte Bulle auf Erden sein: besser als Maigret, der Thin Man und Cowboy Rosenblatt. Isaac der Gerechte konnte die Guzmanns und ihre sämtlichen Ableger in Manhattan zugrunde richten, ohne einen Finger zu krümmen. In seinem Mund flossen Honig und Säure. Er konnte einem das Gesicht auskratzen oder einen in den Schlaf lullen. »Isaac! Die Reporter. Die werden sich gar nicht mehr einkriegen. Soll ich im Präsidium Bescheid geben?«
»Wir fahren ins Bellevue, Brodsky.«
Die Limousine fuhr nach Osten; Brodsky saß verdrossen hinter dem Steuer. Er hasste Krankenhäuser mit dicken Kaminen und unverputztem Backstein. Isaac machte sich auf den Weg zu seiner Mutter. Im Korridor fand er seine Neffen Davey und Michael vor. Die Jungen trugen ihre Jagdkleidung: Anzüge aus dem eduardischen Zeitalter, die auf die Maße von Kindern zugeschnitten waren, steife Krägen und identische feuerrote Krawatten. »Onkel Isaac, Onkel Isaac«, schrien sie und rannten auf ihn zu. Isaac musste seine Neffen mit Fünfzigcentstücken bestechen, damit sie seine Knie losließen. Bald würde der Korridor ein Schlachtfeld sein. Die Jungen warteten schon darauf, sich auf ihren Vater zu stürzen. Wo war Leos Exfrau? Davey und Michael standen bestimmt nicht aus heiterem Himmel vor der Tür ihrer Großmutter.
»Mein Vater ist ein Mörder«, sagte Michael.
»Wen hat er denn umgebracht?«
»Meine Mutter und mich.«
Isaac konnte nicht mit einem Siebenjährigen diskutieren. Er ließ seine Neffen stehen, um einen Blick auf seine Mutter zu werten. Sophie hatte eine Krankenwache: Marilyn, Leo und Alfred Abdullah, ihren Freier von der Pacific Street. Abdullah begrüßte Isaac mit einem bekümmerten Lächeln. Als amerikanischer Araber aus dem Libanon konnte er sich ebenso wie jeder Sohn über Sophies Wunden grämen. Isaac nickte den Stühlen am Bettrand zu. Seine Mutter lag in ihren Kissen, blaues Salz auf den Lippen, Flüssigkeiten, die aus einem Gewirr von Schläuchen sickerten. Marilyn krächzte ein heiseres Hallo. Isaac fühlte sich mit seiner Tochter in einem Raum unbehaglich. Er sah die Anspannung, das nervöse Flattern ihrer Augenlider. Sie fühlte sich elend ohne Coen. Dazu hatte Isaac beigetragen. Blue Eyes war nur zwei Etagen von hier entfernt, in der Gefangenenstation; er kümmerte sich um
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