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Das Isaac-Quartett

Das Isaac-Quartett

Titel: Das Isaac-Quartett Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jerome Charyn
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abfangen, wenn du aus dem Treppenhaus kommst, dich über die Schulter werfen. Entführungen sind meine Spezialität, aber es hätte sich im Freien abspielen müssen. Er ist mein Boss. Ich kann unmöglich in Isaacs Räumlichkeiten eindringen.«
    Sie wollte sich mit der Gemütsbewegung einer Frau auf ihn stürzen, die drei Ehemänner überdauert hatte, doch sie wusste, dass es ihn verschreckt hätte. Coen misstraute ihr. Sie musste sich langsam bewegen. Behutsam legte sie ihren Kopf auf seine Schulter und küsste die Schwellung auf seiner Lippe. Es wäre strategisch unklug gewesen, ihn auszuziehen. Marilyn zupfte an seinem Unterhemd. Sie saugte an einem Ohr. Wie erweckt man einen Schneemann?
    Coen erwachte zum Leben. Seine Spucke sammelte sich unter ihren Backenknochen. Er knabberte an ihren Augenhöhlen. Nie wäre er auf sie losgegangen, ohne seine Hose auszuziehen. Der Bulle hatte eine sanfte Art. Doch sie konnte seinen Schwanz durch den Gabardine spüren. Seine Zunge schlängelte sich in ihre Mundwinkel. Die Nässe ließ ihre Zähne sich kalt anfühlen. Aus ihren Achselhöhlen blutete üppiges Wasser, das nichts mit gewöhnlicher Transpiration zu tun hatte. Mit seiner Zunge in ihrem Gesicht hatte Coen ihre Süße durchbrechen lassen. Derart langsame Küsse war Marilyn nicht gewohnt. »Ich könnte dich lieben, Manfred.« Sie hatte nicht mehr zu sagen.
     
    Das Präsidium war von riesigen Stapeln der heutigen Ausgabe des Toad belagert. Jemand, vermutlich Tony Brill, hatte sie auf die Stufen vor der Eingangstür gehäuft, Zeitungen, die nicht auf Schneebälle und den Schlamm am Schuh eines Bullen reagierten. Cowboys Männer mussten diese nassen Zeitungen als Erste aufgesammelt haben. Kribbelig vor Rachegelüsten verteilten sie die Bündel auf alle Etagen. Mit einer schlammigen Zeitung auf dem Schoß saß Brodsky vor Isaacs Büro. Der Chauffeur war aufgebracht. Tony Brill, dieser fette Schleimer, hatte die zweite Seite mit Fotografien von Rupert Weil vollgeklatscht und dazu einen Exklusivbericht über die drei Lollipops verfasst. In der Uniformjacke, die vor Konserven überquoll, fauchte Rupert in die Kamera.
    Brodsky konnte nicht lesen, ohne die Lippen zu bewegen. Er empfand den Toad als persönlichen Angriff. Ein Käseblatt, entschied Brodsky, ein verfluchtes Hippie-Käseblatt für linke Typen und Edelnutten. Einen solchen Mischmasch aus unanständigen Wörtern und dämlichen Klischees hatte er noch nie gesehen. Tony Brill sprach von Kinderkreuzzügen, von Lollipop-Kriegen und von dem Martyrium der Esther Rose. Er beschuldigte Isaac, »ganz New York ins Hirn zu ficken«. Zur Belustigung seiner Leserschaft hatte er eine primitive Karikatur gekritzelt, die Isaac darstellte, wie er auf die Delancey Street pinkelte. Über Bilder, auf denen sein Chef lächerlich gemacht wurde – Isaac hatte schlaffe Hoden auf der Karikatur –, konnte Brodsky nicht lachen. Brill war völlig wahnsinnig. Er schwor, Isaac habe – oder zumindest sei er gerade dabei – Philip Weil ruiniert, Mordecai Shapiro, die Seward Park High School, Honey Shapiro, Cowboy Rosenblatt, Stanley Chin, Esther Rose, das puerto-ricanische Volk, die Spaniolen Brooklyns, die Einwohner von Chinatown und Manfred Coen – bei der Erwähnung Coens kicherte Brodsky in sich hinein. Nur Rupert war ihm entkommen, und Rupert hatte den Krieg erklärt. Wer sonst, sagte Tony Brill, wenn nicht ein Lollipop, hätte es gewagt, die Missstände in Isaacs Bezirk anzuprangern?
    Brodsky klopfte an Isaacs Tür. Der Chef gewährte ihm mit einem verträumten ›Hallo‹ Einlass. Isaac musste gerade eine Verschwörung aushecken, denn sonst wären barsche Grummellaute auf Brodskys Schultern geprasselt. Der Chef hatte den Toad vor sich liegen.
    »Soll ich Tony Brill übernehmen, Isaac? Die Jahreszeit ist günstig. Leute können im Schnee ertrinken.«
    »Lass ihn in Ruhe«, murmelte Isaac. »Er kann uns nichts anhaben.«
    Dann erwachte Isaac aus seiner Schwermut. »Der Kleine macht mich noch stadtbekannt. Wenn ich auf die Straße gehe, zittert alles. Hast du es noch nicht gewusst? Das Verbrechen schwindet, wohin ich auch gehe.«
    Isaacs verdrehte Ansprache bereitete dem Chauffeur Schwierigkeiten. Er fühlte sich zu einem Kichern verpflichtet. »Lass mich doch wenigstens etwas unternehmen. Sitzt der Toad nicht am La Guardia Place? Ich könnte die Druckerpresse sabotieren, Isaac. Dann müssen sie mit Buntstiften und Radiergummi drucken.«
    Der Chef zog seinen Mantel über. Brodskys Plan, den

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