Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Isaac-Quartett

Das Isaac-Quartett

Titel: Das Isaac-Quartett Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jerome Charyn
Vom Netzwerk:
Tafeln Schokolade aufgegessen.«
    »War César dabei?«
    »Er war allein.«
    »Wo wohnt Jerónimo? Hat er Césars Wohnung erwähnt, Onkel? Das ist wichtig.«
    »Er hat nichts gesagt. Wie kann man mit einem Mund voll Schokolade reden?«
    »Komm, Onkel. Es wird dunkel hier.«
    Sheb wollte Coen aus allen Bereichen der Witwen und der unverheirateten Frauen fernhalten. Von Ränkespielen und Verhältnissen hatte er die Nase voll. Er hatte seine Jahre im Manhattan-Feierabendhaus zur Besinnlichkeit genutzt. »Manfred, du kannst dir gar nicht vorstellen, wie viel hier rumgefickt wird. Nur die Ehepaare sind schlecht dran.« Sie saßen im Aufenthaltsraum und Sheb gab den Aushilfspflegerinnen, den Junggesellen, den Reinemachefrauen und den gehörnten Ehemännern Gelegenheit, aus seinen Tüten zu essen. Er gab gern mit Coen an. »Der Neffe ist in Manhattan bei den Bullen. Der trägt eine Knarre rum, die dir die Mandeln küssen kann. Ich bin nur sein Onkel. Wir sind die letzten Coens. Mein großer Bruder Albert fand, fünfzig Jahre seien lang genug. Er hat mit seiner Frau Grillhähnchen gespielt. Draußen war es ihnen zu kalt. Sie hat empfindliche Haut gehabt, diese Jessica.«
    Ohne Vorwarnung zog Sheb die Lippen herunter, und er und Coen verfielen in ihre alte Stummheit, nuckelten eine Stunde lang Aprikosen. Eine Gruppe von Witwen warf einen Blick in den Aufenthaltsraum, bewunderte die unerschütterliche Gleichmut der beiden Coens und verließ den Raum mit der Überzeugung, dass Sheb der schönere von beiden war. Sheb aß lächelnd die letzte Aprikose auf. In ihrem Schweigen lag nichts Abgenutztes. Das war die Art der Coens. Albert und Sheb hatten dreißig Jahre lang in einem Eierladen gesessen und täglich nur einige Worte gebrummt. Selbst der schlimmste Hahnrei im Manhattan-Feierabendhaus wusste die Wellen zu schätzen, die durch Sheb und Coen strömten. Als Coen ging, hatten sie die Hälfte aller Anwesenden im Aufenthaltsraum angesteckt.
    Am Columbus Circle hatte Coen den Eindruck, dass er von einem Mann mit rotem Haar verfolgt wurde. Er blieb vor einem Schaufenster stehen und studierte eine Tabelle über den Blutkreislauf. Eine Maschine spuckte purpurnes Wasser in die Nieren, das Herz und das Gehirn, die mit einem System verzweigter Röhren verbunden waren. Coens Mann trat in ein kubanisches Café. Coen sah die Röhren an. Als er nach Hause kam, läutete das Telefon. Er hörte Unzufriedenheit in Isobels Stimme. Während er Strafarbeiten für Pimloe machte, hatte Coen die Portorriqueña aus dem Revier vernachlässigt. Sie schimpfte nicht. Sie hatte eine Nachricht von Knoblauch-Arnold. Arnold war gestolpert und hatte einen orthopädischen Schuh verloren.
    »Hat man ihn nach Roosevelt gebracht, Isobel?«
    »Arnold hasst Krankenhäuser. Er ist in seinem Zimmer.«
    »Wer hat Arnolds Schuh geklaut?«
    »Chino Reyes.«
    Coen dachte wieder an den Mann vom Columbus Circle, hohe Backenknochen unter einer roten Perücke. Er beschimpfte sich selbst: dummer Sack, dummer Sack, dummer Sack, dummer Sack. Jetzt wird der Israelita verrückt, entschied Isobel und hängte ein.
     
    Isobel musste sich den diensttuenden Lieutenant vom Leib halten. »Der Captain will seine Milch«, sagte sie. Doch sie ging nicht nach oben. Dort wäre sie den Wegelagerern von der Mordkommission in die Hände geraten. Isobels Ellbogen waren noch aufgeschürft; sie hatte sie an Browns Bank im Umkleideraum geschabt. Und DeFalco hatte nach seiner letzten Pflichtrunde ihr Netzhöschen zerrissen. Daher schlich sie sich an dem Lieutenant vorbei, ohne sich in die Anwesenheitsliste einzutragen, lächelte dem Sicherheitsbeamten zu, gab einer ihrer Freundinnen, die gleich neben dem Mannschaftsraum tippte, ein Zeichen und machte eine verfrühte Mittagspause. Sie vermisste den Israelita. Brown und De-Falco gingen grob mit ihr um. Der Israelita hatte sanfte Hände. Er wusste auch, wie fest man in eine Brustwarze beißt. Ohne Coen hatte sie weniger Spaß im Revier. Sie hatte es satt, sich von Streifenbullen aufreißen zu lassen. Aus Browns Schnurrbart machte sie sich nichts. Sie flirtete mit einem puerto-ricanischen Taxifahrer (Isobel ermutigte weder das lüsterne Schielen, noch das Schnalzen seiner Zunge), und in weniger als neun Minuten stand sie auf Coens Schwelle.
    Sie erwischte den Israelita im Mantel. Er war auf dem Weg zu Arnolds Hotel. Sie wünschte, es wäre dem Spanier gelungen, seinen Schuh zu behalten. Coen zog nur zögernd seinen Mantel aus, aber er bat sie,

Weitere Kostenlose Bücher