Das Isaac-Quartett
Doch Enid zog sich eine Erkältung zu, die auf ihre Lunge übergriff. Sie wurde begraben, ehe Patrick beschnitten werden konnte.
Der Junge wuchs auf den Stufen der Synagoge auf. Seine Nahrung kam aus einer dunklen Flasche. Er nuckelte in den Kings of Munster Guinness mit seinem Papa. Während Murray die Decken schrubbte, schlief Patrick mit einer Jarmulke über dem Gesicht in den Kirchenstühlen. Im Winterzimmer bekam er gemeinsam mit den Bettlern vom Abingdon Square seine Suppe. Mit Murray, der nach Enids Erkältung seine Einrichtung und seine Wohnung aufgegeben hatte, lebte er im Keller. Die Synagoge war Patricks neue Mama. Die Ältesten waren ihm Onkel und Tanten. Und als Kinderkrippe hatte er die Kings of Munster.
Murrays Lebenskraft ließ nach. Er konnte die Synagoge nicht mehr allein unterhalten. Er stand auf der Leiter und träumte von seiner Braut. Patrick musste die Schul kehren. Er lernte, Splitter aus einem Fenster zu entfernen, im gesprungenen Glas zu stöbern, ohne sich die Finger zu zerschneiden. Er bereitete eine nahrhafte Suppe für die bärbeißigen Bettler zu, die es als Anschlag auf ihre Würde empfanden, sich von einem Neunjährigen verpflegen zu lassen. Patrick, der mit Guinness großgezogen worden war, besaß die Kraft, mit ihren gemeinen Blicken fertig zu werden. »Meine werten Herren, es gibt Pisse oder Haferschleim«, pflegte et zu sagen. »Sucht es euch aus.«
Ein paar Jahre später spielte es keine Rolle mehr, um wie viel ihm die Bettler zahlenmäßig überlegen waren. Mit zwölf war Patrick gute ein Meter achtzig groß. Er trug ein schwarz-rotes Unterhemd (Murray hatte die Farben des Colleges von Cork auf seinem Weg aus Irland mitgehen lassen). Die Bettler lernten, den Schädel auf Patricks Hemd zu respektieren. Wenn sie im Winterzimmer Krawall machten, dem Nachbarn Suppe ins Ohr bliesen, packte der Junge sie in Zweier- oder Dreierbündeln, rollte sie die Treppe runter und ließ sie auf dem Bürgersteig liegen. Außerdem beschützte er seinen Vater vor der Zugluft im Keller; er packte den Vorsteher der Synagoge in dicke Pullover und zwei Paar Socken. Murray lag jetzt nur noch im Bett, murmelte Enid, Enid Rose, und fiel in die Zeiten von 1931 zurück, als er mit der Pietät eines Wahnsinnigen Enid und die Thora ausgewickelt hatte. Er siechte weitere zehn Jahre dahin und starb 1954 als Siebzigjähriger.
Jetzt war Patrick an der Reihe, sich eine Ehefrau unter den Nagel zu reißen. Mit zweiundvierzig entschloss er sich, sein Junggesellentum früher als sein Vater hinter sich zu lassen. Doch seine Werbung ging ins Aus. Das Mädchen, das er heiraten wollte, war bereits eine Braut.
Er konnte sich nicht gegen seine Arbeitgeber stellen, die Guzmanns aus Manhattan, Lima und der Bronx, die ihre Namen auf Odiles Trauscheinen besiegelt hatten. Da jedoch von ihm erwartet wurde, dass er Jerónimo, Topal und Alejandro in der Jane Street ablieferte, ergaben sich für ihn Gelegenheiten bei der kleinen Goie. Er brachte ihr eine gelbe Rose mit widerlichen Stacheln mit, Schals aus der Orchard Street, eine Charlotte Russe, Servietten und Platzdeckchen, die am Valentinstag hätten ankommen sollen, und Schokolade, die mit Heilsäften gefüllt war und die selbst Jerónimo ihr nicht wegessen konnte.
Der Ire musste verrückt sein. Ein solches Sortiment an Geschenken hatte Odile noch nie gesehen. Obwohl sie Patrick schalt, ihm die Servietten in das Unterhemd steckte und seine Charlotte Russe weiterverschenkte, war die kleine Goie geschmeichelt. Niemand sonst war je auf die Idee gekommen, auf altmodische Weise um sie zu werben. Sie lag gern mit Patrick Silver auf dem Küchenfußboden, während eins von Papas Babys in ihrem Bett schlief.
Heute Morgen war Jerónimo dran. Sie lag neben Patrick, der Ventilator surrte im Fenster, und sie hörte, wie Jerónimo durch die Nase atmete. Sie hatte Bettzeug auf dem Linoleum verteilt, damit sich Patrick nicht die Knie verschrammte. Das Bettzeug wurde im Augustwetter feucht. Die grandiosen weißen Haare auf Patricks Brust fühlten sich so schlüpfrig an wie Tang.
»Ire«, sagte sie, »du fickst wie Manfred Coen.«
Patrick wollte sich nicht über einen toten Bullen unterhalten. Er wusste, dass Isaac mit Vorliebe mit Coen am Angelhaken fischte, seinen Engel in verbotene Territorien schickte, aber Patrick konnte sich nicht vorstellen, wieso Coen ausgerechnet in Odiles Bett gelandet war. Er schöpfte daraus keinen Argwohn gegen Odile. Er hatte Verständnis für ihre
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