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Das Isaac-Quartett

Das Isaac-Quartett

Titel: Das Isaac-Quartett Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jerome Charyn
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magere Bezirk verwirrte Miguel. Er konnte nicht verstehen, wie sich die Vierte Straße West so weit krümmen konnte, dass sie mit der Dreizehnten West zusammenstieß. Zorro klopfte an die Scheibe. Miguel fuhr in den Hinterhof eines alten Lagerhauses an der Washington Street. Im Hof sah er einen Mann: Moses Guzmann.
    Miguel bemühte sich, nicht zu gaffen. Die Guzmanns waren heikel. Wenn man die Nase nicht auf den Boden richtete, dachte Papa, man wolle ihm das teuflische Auge zeigen. Sie gaben ihm keine weiteren Anweisungen. Der Fuchs und das Baby stiegen aus.
    Miguel beugte sich über das Lenkrad, um sein Gesichtsfeld zu verengen und die schrecklichen Augenbrauen, Hälse und Kinne der Guzmanns nicht sehen zu müssen.
    Papa trug seinen Kochkittel aus den Kings of Munster. Er war zwischen den Kasserollen aus der Bar entwischt und um die Ecke in die Washington Street getrottet. In einer halben Stunde würden die Kunden nach seinem Tintenfisch verlangen. Papa hatte wenig Zeit. Er hatte Jorge bei Topal und Alejandro zurückgelassen. Wenn Isaacs blauäugige Gorillas wieder eine Razzia in der Bar gemacht hätten, hätte Moses drei Söhne weniger gehabt. Unter dem Kittel stellte er sein eigenes Wetter her. Seine Puppen waren kalt. Als er das Baby berührte, liefen ihm Schauer über den Rücken.
    Zorro flüsterte Papa etwas ins Ohr. »Wir können ihn auf dem Schiff verstecken.«
    »Niemals«, sagte Papa.
    »Ich könnte mit ihm fortgehen. Nach Florida. Wir könnten unter den Cubanos leben.«
    »Die Hälfte der Cubanos arbeitet für das FBI. Nach zwei Wochen hätte ihn Isaac auf dem Schoß.«
    »Dann lass mich Isaac erwürgen, Papa, und wir haben ein wenig Ruhe.«
    »Wir bekämen nur einen neuen Isaac.«
    Papa sah, dass seinem jüngsten Sohn die Schultern heruntersackten. Unter dem gelben Wachs waren die Backen des Fuchses bleich. Doch sein Kiefer blieb hartnäckig. Papa machte sich keine großartigen Illusionen über seine Familie. Vier seiner Jungen waren Idiotas. Er hatte auf den Marktplätzen von Peru mit syphilitischen Frauen geschlafen, rumgehurt wie ein Straßenköter. Keine seiner Frauen hatte einen Zahn im Mund gehabt. Zorro war ein Zufall, der einzige Guzmann, dessen Gehirn nicht aufgeweicht war. Papa dankte Adonai, dem Herrn, sein Leben lang stündlich dafür, dass er ihm ein Kind geschenkt hatte, das nicht mit den Daumen zählen musste. In frühem Alter hatte Zorro die verzwickte Geografie von Papas Süßwarenladen durchschaut und war der Fuchs der Boston Road geworden. Er hatte Papas Herrschaftsbereich mit seiner angeborenen Arglist bis nach Manhattan ausgedehnt. Doch seine Brüder hatte er darüber nicht vergessen. Er betete Topal, Alejandro, Jorge und Jerónimo an, und er kümmerte sich um sie. Er zeigte den Jungen, wie man Reißverschlüsse zumacht. Er machte ihre Finger zum Rechenbrett und brachte sie dazu, mit rasender Konzentration zusammenzuzählen und abzuziehen. Er blockierte den Verkehr auf der Boston Road, um seine Brüder über die Straße zu treiben. Der Geruch von Safran in einer irischen Bar hatte Papas Luftwege verstopft: Konnte Moses denn nicht verstehen, wie verrückt es Zorro machte, einen seiner Brüder aufzugeben? Instinktiv wollte er Jerónimo an sich reißen und auf die Welt scheißen, gegen Isaac und seine Armee in Manhattan standhalten.
    »César, stell dich nicht dumm. Das Zuchthaus steht er keinen Tag lang durch. Die Häftlinge sind noch fieser als die Polizei. Du weißt, welche Schimpfnamen sie ihm geben werden. Kinderficker, Jerónimo, die Tunte. Ich will ihre grässlichen Finger nicht an seine Kehle lassen.«
    Papa zog einen Ziegel aus seinem Kochkittel; das war die einzige Waffe, die er aus der Bronx mitgenommen hatte. Die Schuld lag bei ihm. Er hatte den Schlamm auf Jerónimos Stiefeln gesehen. Regnete es etwa in Papas Süßwarenladen? Das Baby war mit nassem Haar eingeschlafen. Papa hatte seine Augen vor der Tatsache verschlossen, dass Jerónimo gern auf Streifzüge ging. Das Baby war aus dem kleinen Fenster in der Rückwand gekrochen, während seine Brüder schnarchten und Papa Eiscremesodas zubereitete oder die Hieroglyphen seiner Lotteriestelle entzifferte.
    Paps Finger krallten sich in den Ziegelstein. Er würde nicht zulassen, dass Isaac Jerónimo einlochte. Das Baby würde nie vor ein Geschworenengericht kommen. Die Sträflinge im Zuchthaus hatten ihre eigenen Strafen für Sittenstrolche und Kindermörder. Sie würden ihn dafür erdrosseln, dass er mit den Hoden von kleinen

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