Das Isaac-Quartett
Frieden herrschte. Dieser Dermott musste so was wie der Oberlude sein. Onkel Martin war sein Geldeintreiber, der alte Knabe, der seine Bücher führte. Aber warum schnitt nicht irgendeine Bande Wildgewordener Martin die Kehle durch? War Dermott tatsächlich ein so großer König? Und wie hielt er sein kleines Imperium zusammen, wenn man ihn noch nicht mal zu Gesicht bekam? Das alles passte nicht zusammen. Isaac Sidel müsste doch den Herrscher des Times Square kennen.
Er hatte keine Zeit, um in einem Pornoladen herumzustöbern. Er wurde an der John Jay School of Criminal Justice erwartet. Dort hielt er zweimal die Woche eine Vorlesung. Er ging in sein Hotel, rasierte sich, zog eine frische Latzhose an. Das war Isaacs Dozentenkluft.
Der Wurm juckte, als Isaac in der John Jay School eintraf. Für Isaac war das ein schlechtes Zeichen. Der Wurm irrte sich nur selten. Er hatte eine neue Schülerin in der Klasse. Melvin Pears’ grünäugige Frau. Sie saß ganz hinten und hielt ein Notizbuch in Händen. Das Notizbuch hemmte Isaac. Er vergaß durch den Klassenraum zu stolzieren. Er stand am Fenster und sprach über die Vergeblichkeit des Strafrechts. »Die Bronx stirbt«, sagte er den jungen Feuerwehrleuten und Cops seines Seminars. »Straße um Straße. Wir können ja schlecht die Artillerie hinschicken. Die Kids würden nur unsere Panzer abfackeln. Schon bald sind die Außenbezirke Manhattans dran … Dann wird es an der East Side Wohntürme geben, in denen Maschinengewehrschützen in der Eingangshalle hocken … Man wird bewaffneten Begleitschutz brauchen, nur um im Supermarkt einkaufen zu gehen.«
Einer der Feuerwehrmänner hob die Hand. »First Deputy Sidel, was können wir dagegen tun?«
»Geht in die Bronx. Überbaut den ganzen Schutt. Warum sollte es in Crotona Park keine Einkaufszentren geben?«
Die Cops kicherten leise. Die Gegend rund um Crotona Park sah aus wie nach einem Napalmangriff. In der Bronx gab es mehr Brandstifter als Gemüsehändler. Wäre er nicht der First Dep gewesen, die Cops hätten Isaac für einen Bolschewisten gehalten. Sie genossen diese Jeremiaden eines Deputy Police Commissioners. Man durfte im Unterricht rauchen. Isaac war es vollkommen egal, welchen Mist man qualmte. Aber diese grünäugige Lady störte ihn. Würde sie in Becky Karps Wahlkampf um das Amt des Bürgermeisters Isaacs Worte gegen den alten Sam verwenden? Er sah, dass sie zwischen ihren Beinen munter mitschrieb. Das war nicht der rechte Ort, um Notizen festzuhalten.
In der nächsten Stunde war sie wieder da, auf demselben Platz. Der Wurm brachte ihn fast ins Wanken. Er musste sich an die Wand lehnen. »Na klar«, murmelte er bei sich. »Nicht besonders schwer, eine Verräterin zu erkennen. Vor allem, wenn sie grüne Augen hat.« Aber er dachte ja gar nicht daran, sie zu verhätscheln oder sich mit seinen Worten zurückzuhalten. Er kam auf stalinistische Lösungsansätze zu sprechen. »Mobilisiert die Leute. Allein schaffen es die Cops nicht. Gründet eine verdammte Volksarmee. Bekämpft die Scheißer, die nicht kooperieren. Holt Joe DiMaggio zurück. Sorgt dafür, dass Willie Mays ein neues Polo Grounds baut … direkt hinter dem Grand Concourse. Wo ist Durocher heute? Zieht jedem zehn Prozent vom Gehalt ab … Einen Zehnten für die Bronx … Nein, machen wir zwanzig Prozent draus.«
Die Cops lachten, aber die grünäugige Gattin von Pears krallte sich an ihrem Notizbuch fest. Isaac wurde traurig. Ich schaufle Sams Grab. Er beendete die Stunde zwanzig Minuten zu früh. Er versuchte Mrs. Pears zu entgehen. Am Ausgang hatte sie ihn in der Falle. Er hätte schon unter ihren Möpsen herkriechen müssen, um an ihr vorbeizukommen. Sie stopfte ihm einen Zettel in die Hand. Die Flecken in ihren Augen waren unglaublich. Sie blitzten glänzendgrauen Staub, wie kleine Planeten, die kurz vorm Explodieren waren. Er war eifersüchtig auf Melvin Pears. Isaac war selbst verheiratet. Mit Kathleen. Eine toughe, irische Lady, die ihn geheiratet hatte, als er noch keine zwanzig war. Sie machte in Immobilien. Sie betonierte Sümpfe in Florida zu, hatte zehn Verehrer und eine Million auf der Bank und sie brauchte keinen Cop, der gern in Pennerhosen rumlief. Ein-, zweimal im Jahr sah er sie. Sie liebten sich, sofern Kathleen in Stimmung war. Das Ganze war eher eine freundschaftliche Umarmung als sonst was. Nun musste er sich mit Mrs. Pears auseinandersetzen.
»Ich wollte nicht einfach so in Ihren Unterricht platzen … Tut mir leid …
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