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Das Isaac-Quartett

Das Isaac-Quartett

Titel: Das Isaac-Quartett Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jerome Charyn
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wo er steckt.«
    »Das ist dann wohl Ihr Problem, Chief. Dermott treibt sich nicht gern in der Öffentlichkeit herum. Er hat sich zurzeit ein bisschen zurückgezogen. Aber Sie könnten ihm ja eine Postkarte schicken. Falls Sie die richtige Briefmarke finden.«
    O’Toole nahm Martin bei der Hand und ging davon.
7
    Isaac ging in sein Hotel und brütete. Man brauchte schon eine keltische Harfe, um die Worte eines Iren zu entschlüsseln. Dieser beschissene O’Toole. Die richtige Briefmarke? Zurückgezogen? Dermott musste wohl außer Landes sein. Martin führte die Geschäfte für ihn und O’Toole diente ihm als Muskelmann. Die Italiener machten sich mit schwarzen Nutten auf der Straße nicht die Finger schmutzig. Aber selbst O’Toole konnte sich nicht mit allen Niggergangs anlegen, es gab jede Menge brothers, die für ein paar Kröten bereit waren, Luden abzumurksen. Sie alle bekamen ihren Anteil vom Pot. Darin bestand Dermotts Zauber. Aber warum machte er so ein Geheimnis um sich?
    Der Penner verließ sein Zimmer nicht. Selbst Klopfen an der Tür holte ihn nicht aus seinem ungemachten Bett. Der Wurm juckte und zwang ihn ein Gesicht wahrzunehmen. Er hatte Besuch. Jenny Pears. Sie war nicht sicher, dass er wirklich Isaac war, bis er ein anderes Hemd anzog. Er schüttelte die Kissen auf. Sie lachte über seinen jämmerlichen Drang, vier Wochen Dreck aufzuräumen. Sie mochte Isaacs Zimmer.
    Er versuchte zu erklären. »Muss so leben … Arbeite an einem schwierigen Fall.«
    »Warum bist du so mager?«, fragte sie.
    »Jennifer, bis vor einem Jahr war ich ein Fettsack. Hatte den feisesten Stiernacken von ganz Manhattan. Dann hab ich versucht eine Bande von Dieben aus dem Verkehr zu ziehen. Die Guzmanns. Hab sechs Monate bei ihnen gelebt. Musste sie glauben machen, ich hätte mit den Cops gebrochen. Aber die Guzmanns waren gewitzt. Ich hab die Drecksarbeit für sie erledigt und sie haben mir einen Wurm verpasst. Und seitdem nagt der Wurm an mir.«
    »Isaac, es gibt so was wie Krankenhäuser, weißt du das? Labors, die deinen Wurm schrumpeln lassen können, ihn auflösen, töten, ihn daran hindern, wieder zu wachsen.«
    »Ich hab genug von Krankenhäusern. Ich bin zum Presbyterianischen Krankenhaus gepilgert wie ein Gläubiger. Die haben mich fluoroskopiert, ich musste Pillen schlucken. Nichts ist passiert. Und mit der Zeit ist mir mein Wurm ans Herz gewachsen.«
    Isaac flehte sie an, ihn den Abwasch machen zu lassen.
    Jennifer lehnte ab. Ihr Körper ließ ihn schaudern. Ihr Rücken war makellos. Ihre Oberschenkel hatten in Isaacs Zimmer einen merkwürdigen Glanz. Er liebte die Kreise ihrer Brustwarzen, rosige Hügelchen. Was machte Melvins Frau in seinem Zimmer? Warum war Pears nicht bei ihr, warum ruhte nicht sein Kopf zwischen ihren Beinen? Ihre leicht schlaffen Mutterbrüste störten ihn überhaupt nicht. Das Ganze war sehr erstaunlich für Isaac. Er bewegte sich mit einer Sanftheit in ihr, mit einem langsamen, weichen Rhythmus, über den er bisher noch nie verfugt hatte. Hielt der Wurm ihn im Zaum, bremste ihn? War es dieses Geschöpf, das Jennifer Pears nahm, und nicht er? Mit den ihm eigenen weichen Bewegungen, mit den wiegenden Gliedern eines Wurms? Haben Würmer Schwänze und Zungen? Isaac wollte, dass sie aus seinem Zimmer verschwand.
    »Bin spät dran«, nuschelte er. »Eine Verabredung mit dem Bürgermeister. Himmel, wir müssen um sechs in dieser Synagoge sein.« Das war nicht gelogen. Der kleine irische Bürgermeister musste die Hebräer auf Knien um Stimmen anbetteln, musste in den entlegensten Vierteln obskure Schuls aufsuchen. Die irischen Stimmen hatte er schon verloren. Die Iren liebten Rebecca. Sie war eine ehemalige Schönheitskönigin und sie hatte eine laute Stimme, Witz, Humor und konnte hexen. Sie war eins dreiundsiebzig groß und hatte gute Geschichten auf Lager. Der Ehrenwerte hingegen ging fast als Zwerg durch. Eins fünfundfünfzig ohne Schuhe. Er war treuer Parteisoldat, ein Bürokrat, der kaum zwei gerade Sätze hintereinander herausbrachte. Sein Stern war vor dreieinhalb Jahren aufgegangen. Damals war er Vorsitzender des Beschwerdeausschusses gewesen, der sich ausschließlich mit dem Straßenzustand befasste, außerdem Mitglied des Denkmalschutzausschusses sowie ehrenamtlicher Vorsitzender des Frauenobdachs Manhattan. Sam hatte die Highschool nicht zu Ende besucht. Er schien genau der Richtige für den Job des Bürgermeisters. Die Polittrickser liebten seine Verschwiegenheit und seinen

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