Das Isaac-Quartett
hatte keine Ahnung, was sie mit Dermott anstellen sollte. Sollte sie Hallo sagen oder Auf Wiedersehen? Er drängte sie zu nichts. Er hatte etwas Stilles an sich, das Annie gefiel. Sie saßen in einem Bistro. Er redete über Bücher. Sie war nicht völlig auf den Kopf gefallen. Ezra Pound sagte ihr was. Das war ein Name, richtig? Und auch William Faulkners Ruhm war bis Queens vorgedrungen. Dermott zeigte ihr die Korrekturfahnen. Na super, dachte sie. Ich muss mich in einen Professor mit dunklen Haaren verknallen. Das Ganze war keine faule Tour. Er brachte sie im Taxi nach Hause. Er setzte sie nicht einfach an der Tür ab. Er aß Doughnuts mit ihrer Mutter und ihren beiden jüngeren Schwestern. Ihre Mutter spürte, dass etwas nicht stimmte. »Wie konntest du so früh Feierabend machen?«
»Ma«, sagte Annie, als sie eine Minute allein mit ihrer Mutter war. »Er ist Ire, ich schwör’s. Er ist Akademiker oder so. Dermott Bride. Er unterrichtet Literatur.« Ihre Mutter konnte nicht glauben, dass es überhaupt dunkelhaarige Iren gab. »Jeder kann sich Dermott Bride nennen. Er hat eine puerto-ricanische Nase. Siehst du das nicht?«
Annie wollte sich weder eine neue Arbeit suchen noch den Glauben daran verlieren, dass Dermott irischer Abstammung war. »Mama, wir sind doch alle Ableger derselben Kartoffel. Du, Dermott und ich.«
Sie schämte sich sein Geld annehmen zu müssen, aber sie tat es trotzdem. Mütter und Schwestern müssen essen. Und Annies Vater war schon lange tot. Was die beiden hatten, war eine langsame Art der Liebe. Er machte Annie Powell nicht zu seiner Mätresse. Sie fuhren in die Rockaways. Wanderten über eisig kalten Sand. Wenn sie mittags in Little Italy essen gingen, dauerte es drei Stunden. Sie wickelte Pasta mit der Gabel auf. Sie rülpste dezent in ihre Serviette und entschuldigte sich dafür. Stets war sie um sechs Uhr wieder zu Hause.
Welche Art von Arbeit hatte ihr Professor? Sieben Tage die Woche stand er zur Verfügung. Musste wohl nebenbei Hausbesitzer sein. Dermott hatte Wohnungen überall in der Stadt. Nach einem Monat zog er sie aus. Da waren sie in einer Wohnung am Murray Hill. Wie viele Hausangestellte hatte Dermott? Unter den Sesseln fand sich kein Stäubchen. Oh, sie hatte schon andere Freunde gehabt. Aber keiner hatte ihr je die Achselhöhle geleckt. Er flüsterte ihr keine schmutzigen Dinge ins Ohr. Oder machte ihr blödsinnige Heiratsanträge. Er konnte eine Frau anfassen, ohne sich gleich in seine Hose zu ergießen. Er war nicht wie ihre Canarsie-Liebhaber, die so schnell hinein- und wieder herausglitten, dass sie nicht sagen konnte, ob sie nun einen Mann in sich gehabt hatte, ein Karnickel oder einen Windhauch. Er hatte einen zarten Körper, der weder hart noch weich war. Er passte in sie wie der Pappzahn eines Puzzleteils. Und sie dachte: Was bedeutet es, wenn man im Auto eines Mannes das Höschen auszieht? Ich bin mit Affen ausgegangen. Dermott jedoch war voller Zauber, in jedem seiner Körperteile. Er konnte es ihr mit dem Finger besorgen und mit dem Mund. Sie konnte sich winden und sich in diesem schwarzen Haar festkrallen. Sie konnte nie wieder mit einem Kerl aus Canarsie schlafen.
Er liebte es, ihr den Schlüpfer zu stibitzen, ihn in die Tasche zu stecken und ab und an daran zu riechen. Es war ganz gleich, woher die Schlüpfer stammten, wie billig sie gewesen waren, wie fadenscheinig, wie löchrig. Sie hätte sich seine Unterhose auch eingesteckt, aber vielleicht durchwühlten ihre Schwestern ihre Sachen, spionierten ihr nach und verpfiffen sie bei ihrer Mutter. Sie konnte sich gut vorstellen, wie Mama reagieren würde. »Ich habe unter meinem Dach eine Hure großgezogen. Annie, was tust du mit einer Männerunterhose?«
Dann verkündete ihr Dermott mit ruhiger Stimme: »Ich gehe nach Irland. Kommst du mit?«
Sie antwortete wie ein braves irisches Mädchen. »Dermott, meine Mutter würde mich umbringen.«
»Ich kümmere mich darum«, sagte er. Das verletzte sie ein wenig. Denn er musste mit Mama um sie schachern wie um eine Kuh. Mama verfluchte jedes Schicksal, das die Heiligen ihr auferlegt hatten, und nahm Dermotts fünftausend Dollar. Annie war verbittert. Mama hätte mehr weinen und weniger gierig sein sollen. Es vergiftete Annies Lust eine ganze Woche lang. Aber dann sagte sie sich: Ich bin niemandes Kuh. Diese fünftausend haben überhaupt nichts mit mir zu tun.
Oh, es war ein lustiges Leben für ein Mädchen ohne Vater, diese lausigen Aushilfsflitterwochen
Weitere Kostenlose Bücher