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Das Isaac-Quartett

Das Isaac-Quartett

Titel: Das Isaac-Quartett Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jerome Charyn
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schön hier. Die sind blöd. Du kannst den Heiligen dafür danken. Sie sind nicht drauf gekommen, dass ich in deinem Zimmer sein könnte.«
    »Und warum sind die so hinter dir her?«
    »Ach, das ist eine jämmerliche Geschichte. Wir saßen am längeren Hebel, hatten sie eigentlich fest im Griff. Und dann hat Dermott seinen Frieden mit ihnen gemacht. Er dachte, er könne die Wasser teilen und über die Irische See springen. Ich hab ihn angefleht nicht zu gehen. Dermott ist da drüben nichts weiter als ein Gefangener. Sie sagen zu allem Ja und Amen, sie verneigen sich vor dem König. Aber soll er mal versuchen zu verschwinden.«
    »Hält der Fischer ihn fest?«
    »Ja, der Fischer. Und noch ein paar andere.«
    »Ist Isaac einer von ihnen?«
    »Wer zum Henker weiß das schon? Man kann weder den Commissioners noch den Cops trauen. Isaac hat seine blauäugigen Jungs. Die würden mir die Ohren abschießen, wenn sie könnten. Aber die anderen Cops machen mir wirklich Sorgen … Die alten Knaben mit ihren weißen Haaren. Die Sergeants im Ruhestand. Sie arbeiten für den großen McNeill.«
    Annie saß neben ihm auf der Matratze, ganz das liebevolle Mädchen, und schob Jamey Krümel in den Mund. Was hätte sie denn sonst tun können? Wenn sie einen Freier mit aufs Zimmer brachte, musste Jamey draußen im Flur rumstehen. Ihre Kunden beäugten Robinson Crusoe misstrauisch. Sie hielten krampfhaft ihre Brieftaschen fest, bevor sie mit Annie Powell Liebe machten, und danach auch. Ihr war das egal. Das Geschäft lief schleppend. Lieber suchte sie nach Krümeln, als nach Freiern Ausschau zu halten.
     
    Miss Annie stammte aus Queens. Von Montag bis Freitag nahm sie die Bahn. Sie arbeitete in einem Juweliergeschäft auf der Siebenundfünfzigsten Straße. Sie war nur Dekoration. Mit den teuren Sachen hatte sie nichts zu tun. Sie hatte ein reizendes Figürchen, und Mr. Giles, der Manager, ließ sie am Schaufenster stehen. Sie sollte Kunden anlocken. So lernte sie den König kennen.
    Er hatte eine Leidenschaft für Bücher, alte Bücher, Erstausgaben, solche Sachen. Faulkner und Mr. James Joyce. Ein merkwürdiges Hobby für einen Gauner. Aber er hatte das Columbia College nicht vergessen, und er konnte sich jedes Buch leisten, das ihm gefiel. Er war Stammkunde bei mehreren Buchhandlungen in der Stadt. Die beste davon, Eichenborn, war gleich neben Annies Schaufenster. Mit einer Pariser Ulysses- Ausgabe von 1922 unter dem Arm kam er gerade aus Eichenborns Laden, als er Miss Annie Powell sah. Giles hatte ihr gesagt, sie solle sofort erröten und verlegen den Blick senken, wenn ein Mann hereinschaute. Bei Dermott tat sie dies nicht. Sie bemerkte die dunklen Augenhöhlen. Es war Februar, und er trug keinen Mantel. Und er hatte pechschwarzes Haar. Er kam ihr nicht wie ein Mann vor, der seine Zeit bei einem Juwelier verplemperte und sich von Mr. Giles über den Tisch ziehen ließ. Oh, aber sie wünschte es sich: nicht wegen dem Silber und Gold. Sie war nicht Giles’ Söldnerin. Wenn der dunkelhaarige Mann einfach nur hereinkäme und mit ihr redete, die Juwelen waren völlig egal. Sollte Giles doch zetern und schreien. Nein. Er wäre bei einem solchen Mann sehr zurückhaltend gewesen.
    Dermott klopfte nicht an die Fensterscheibe. Er lächelte nie.
    Doch beim nächsten Buchkauf stattete er Annie einen Besuch ab. Er kam wütend aus Eichenborns Laden gestapft. Er hatte eine Wahnsinnssumme für einen Fahnensatz bezahlt, der unter Würmern gelegen haben musste. Es waren die Druckfahnen von Soldatenlohn, Faulkners zweitem Buch. Sie waren in einem fürchterlichen Zustand: fleckig, mit ausgefransten Ecken und Brandlöchern von der Zigarettenasche. Aber Eichenborn kannte seinen Kunden. Dermott war besessen. Der Händler hatte die Fahnen seit Monaten zurückgehalten. Wenn der Bursche erst mal lang genug zappelt, wird er schon zahlen. Dermott musste seinen Soldatenlohn haben. Er hätte einen Killer schicken können, um Eichenborn zu erledigen und einen Großteil seines Geldes zurückzubekommen. Aber es störte ihn nicht von einem Mann übers Ohr gehauen zu werden, der Bücher liebte. Dermott stand vor Annies Schaufenster und hielt eine krumm gewachsene gelbe Rose in der Hand. Noch mehr Umwerbung hätte Annie nicht ertragen. Sie war es leid, für Giles Männer zu angeln. Sie zog ihren Mantel an, um zu Dermott zu gehen. »Ich kündige«, sagte sie zu Giles, der nicht begreifen konnte, wie eine einzige Rose Annie aus seinem Geschäft locken konnte.
    Sie

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