Das Isaac-Quartett
in Dublin. Denn wohin Dermott auch ging, stets war der Esel dabei. Sie waren das eigentliche Paar, Dermott und Jamey O’Toole. Wie zwei Brüder. Der Große und der Kleine. Annie konnte sich nicht zwischen sie kuscheln, um näher an ihren Mann zu kommen. Doch sie lernte O’Toole schätzen. Er schob die Betrunkenen beiseite, wählte einen angenehmen Weg für Dermott und Annie. Sie selbst war sich ihres eigenen Irentums nicht ganz sicher. Mama war nie in der alten Heimat gewesen.
Einer von Annies Großvätern war nach einer dieser langen Kartoffelseuchen ausgehungert nach Amerika gekommen. Hätte genauso gut vor tausend Jahren gewesen sein können. Sie hatte keinerlei Sinn für Geschichte. Sie war Irin, aber sie sah nicht aus wie eine von diesen Sommersprossen, die sie auf der Grafton Street sah. Gott, Irland war ein Land der Sommersprossigen. Ihr eigener Teint war viel hübscher. Nicht so teigig, grau und rot. Es machte ihr Angst. Sie wollte keine gekochte Kartoffel werden.
Im Bus nach Dalkey konnte man eine Reihe grauer Köpfe nach der anderen sehen. Die Häuser waren grau oder blutleer braun. Aber sie bewunderte die auf Gälisch geschriebenen Straßenschilder. Es kam ihr vor wie eine Feensprache. FAICHE STIABHNA. Stephens Green. SRAIDIN MUIRE. Little Mary Street. LANA NUTLEY. Nutley Lane.
Die Stadt wirkte wie von Elfen bewohnt. Sie rempelte mit einem Soldaten zusammen, gerade mal einszwanzig groß, mit Käppi, Stiefeln und einem tiefgrünen Hemd. Der Soldat zog sein Käppi und fragte: »Was denken Sie?«
Annie mühte sich um eine Antwort. »Nicht allzu viel.«
»Wie wir alle«, meinte der Soldat und war aus Annie Powells Blick verschwunden.
Und dieses vermaledeite Geld, das sie in dieser Republik hatten. Die Zehnpfundnote war so groß wie eine Serviette, und auf der Rückseite war das Gesicht eines Kobolds abgebildet. Sie wusste nicht, wie sie so etwas ausgeben sollte. Dermott gab ihr Bankschecks, auf denen unten ihre beiden Namen standen. ANNIE POWELL oder DERMOTT BRIDE. Es war, als seien sie Geschäftspartner. Bei Woolworth konnte man sie nicht einlösen. Man musste Dermotts Schecks schon in die nobleren Geschäfte tragen. Sie kaufte alles bei Switzer’s und Brown Thomas ein: Unterwäsche, Erdnüsse, Schlafanzugoberteile. Die Kassierer hielten die Schecks zwischen den Fingern hoch, lächelten und riefen Annie ein »Wunderbar!« zu. Sie benötigte keine Papiere, keine kleine Karte mit Unterschrift. Dermotts Schecks waren besser als Gold. Ich habe vielleicht einen Mann, liebe Mama. Die Bank von Irland hockt auf seinen Schultern.
Woher kam das Geld? Mittags und abends führte Dermott sie und Jamey zum Essen aus. Meist war es ziemlich merkwürdig. Dermott mietete einfach das ganze Restaurant. Er reservierte zwölf Tische von sieben bis neun. O’Toole blieb an der Tür. Bedienungen und Oberkellner umkreisten sie, und Annie starrte die leeren Tischdecken an. »Alles zu Ihrer Zufriedenheit, Madam?«
Sie nickte. Eine Sauciere auf einem Rechaud wurde gereicht. »Ein wenig Soße für Sie, Madam?«
Dermott trug einen Samtanzug. Aber Annie war viel zu unglücklich, um sich an seinem guten Aussehen zu ergötzen. Wer kauft sich schon jeden Platz in einem Restaurant?
Der Kellner war ein Genie. Er konnte einem direkt am Tisch Räucherlachs aufschneiden. Er hatte sämtliche Kellnersprüche drauf. »Wünschen Madam noch eine Scheibe Toast?« Es war, als hätte man Hauskamele auf dem Zimmer, die einem holten, was immer man wollte. Die Bedienungen wieselten mit zehn Toasthaltern um sie herum. Himmel, hab Erbarmen mit den Kranken und Armen. Von alldem Toast hätte sich Annie ein Jahr lang ernähren können. Aber sie bekam immer noch nicht heraus, was genau ihr Mann arbeitete.
»Derm, fahren wir je wieder nach Hause?«
Sie musste einen wunden Punkt getroffen haben, denn seine Augen umflorten sich.
»Wir sind jetzt Zigeuner«, sagte er. »Aber nächste Woche fahren wir nach Connemara.«
»Wo ist das?«
»In der Nähe von Galway. Im Westen.«
Annie Powell konnte man nichts von Himmelsrichtungen erzählen. Westen war für sie genauso gut wie Nirgendwo. Westlich von Dublin? Westlich wovon? Irland war ein Rätsel. Ein irisches Taxi fuhr sie zum Dubliner Flughafen und sie stiegen in ein Flugzeug nach Shannon. Auf sie wartete kein gewöhnlicher Mietwagen. Ihr Mann hatte eine riesige Limousine geordert. Jamey fuhr. Er sang Lieder über die Rose von diesem und die Rose von jenem. »Ja, sie ist die Rose von Castlebar …«
Es
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