Das italienische Maedchen
und bat um Ruhe. »Danke, dass Sie heute Abend zu uns gekommen sind. Ich hoffe, unser schlichter Vortrag hat Ihnen Freude gemacht. Nun werden Getränke serviert, und Sie haben Gelegenheit, sich mit unseren Künstlern zu unterhalten.«
Wieder Applaus, dann wurde er von Menschen umringt, die ihm auf den Rücken klopften und ihm die Hand schüttelten. Rosanna hielt sich abseits, unsicher, was von ihr erwartet wurde. Eine Kellnerin reichte ihr ein Glas Prosecco. Als die Kohlensäure Rosannas Rachen kitzelte, verschluckte sie sich.
» Piccolina , Rosanna … Das war großartig!« Luca gesellte sich zu ihr. »Eines Tages wirst du ein großer Star sein, das hab ich immer gewusst.«
»Wo ist Papà? Hat es ihm gefallen? Ist er wütend, weil wir ihm die Gesangsstunden verheimlicht haben?«, fragte Rosanna besorgt.
»Als er gehört hat, dass du seit fünf Jahren bei Signor Vincenzi Unterricht nimmst, war sein Gesicht ziemlich finster. Aber jetzt …«, Luca schmunzelte, »… jetzt gibt er bei allen mit dir an.«
Sie sah, dass Marco sich angeregt auf der Terrasse unterhielt, und zum ersten Mal seit Mammas Tod lächelte er.
»Rosanna, ich habe hier jemanden, der dich kennenlernen möchte«, sagte Luigi und trat mit einem elegant gekleideten Herrn mittleren Alters zu ihr. »Das ist Signor Paolo de Vito, der künstlerische Leiter der Mailänder Scala.«
»Signorina Menici, ich freue mich, Ihre Bekanntschaft zu machen. Luigi hat mir viel von Ihnen erzählt. Und nach Ihrem Vortrag muss ich sagen, dass er nicht übertrieben hat. Ihre Darbietung heute Abend war atemberaubend. Wie immer hat Luigi hervorragende Arbeit geleistet. Er hat einen Instinkt für ganz besondere Begabungen.«
Luigi zuckte bescheiden mit den Schultern. »Ich kann nur mit dem arbeiten, was mir zur Verfügung steht.«
»Mein Freund, ich glaube eher, dass du selbst eine sehr große Gabe besitzt. Finden Sie nicht auch, Signorina Menici?«, erkundigte sich Paolo lächelnd.
»Luigi ist ein wunderbarer Lehrer«, antwortete Rosanna verlegen.
»Ihr Vater ist hier?«, fragte Paolo.
»Ja.«
»Wenn Sie mich entschuldigen … Ich würde gern mit ihm sprechen. Stellst du uns vor, Luigi?«
Von der anderen Seite der Terrasse aus beobachteten Luca und Rosanna nervös, wie Luigi Paolo de Vito und Marco miteinander bekannt machte. Die drei Männer setzten sich, und Luigi winkte eine Kellnerin mit Prosecco heran.
Rosanna wandte sich ab. »Ich kann gar nicht hinschauen«, stöhnte sie. »Worüber, meinst du, unterhalten sie sich?«
»Das kannst du dir doch denken. Nach deinem Auftritt heute Abend ist keine falsche Bescheidenheit mehr nötig.« Luca wandte sich einer mit teurem Schmuck behängten Dame und ihrem Gatten zu, die sich näherten, um Rosanna zu ihrer gelungenen Darbietung zu gratulieren.
Am Ende erhob sich Luigi und winkte Rosanna und Luca heran.
» Bravissima , Rosanna!« Marco stand auf und küsste seine Tochter auf beide Wangen. »Warum hast du mir die Gesangsstunden verschwiegen? Ich hätte dir doch geholfen. Du schlimmes Mädchen, du.« Ihr Vater schmunzelte. »Signor de Vito meint, du wirst eines Tages ein großer Star sein, und möchte, dass du eine Musikschule in Mailand besuchst. Er ist sich sicher, dass sie dir ein Stipendium anbietet.«
Paolo zuckte mit den Achseln. »Als Leiter der Schule und der Scala habe ich einen gewissen Einfluss.«
»Und was sagst du dazu, Papà?«, fragte Luca besorgt.
»Ist ja alles schön und gut, aber ich kann meine Tochter nicht allein in eine so große Stadt gehen lassen. Wer weiß, was dort mit ihr passiert?« Marco seufzte.
Rosannas Euphorie verflog. Sie hatte recht gehabt. Es war doch alles umsonst gewesen. Papà sagte Nein.
»Deshalb«, fuhr Marco fort, »schlägt Signor Vincenzi vor, dass jemand dich begleitet. Ich habe überlegt, wer. Wem kann ich meine Tochter anvertrauen? Und dann ist mir die zündende Idee gekommen. Mein Sohn Luca, der all die Jahre die Gesangsstunden bezahlt hat.«
»Heißt das, du lässt mich nach Mailand gehen, wenn Luca mitkommt?« Rosanna sah ihren Vater erstaunt an.
Marco nickte. »Ja, ich glaube, das ist die ideale Lösung.«
»Und was wird aus dir, Papà? Wir können dich doch nicht allein lassen.« Luca sah seinen Vater an, als hätte er den Verstand verloren.
»Ich werde nicht allein sein. Carlotta und Ella sind bei mir. Meine Tochter will keinesfalls zu ihrem Mann zurück. Sie kann sich um ihren alten Vater kümmern und im Café helfen. Für dich finde ich schon einen
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