Das italienische Maedchen
Ich will ein besserer Mensch werden. Rosanna, bitte sag, dass du dem neuen Roberto eine Chance gibst.«
Rosanna musterte ihn argwöhnisch.
»Du glaubst nicht, dass ich dich liebe, stimmt’s?«, fragte er.
»Ich glaube nur, dass du im Moment überfordert bist.«
»Empfindest du … irgendetwas für mich?«
»Ich habe in solchen Dingen keine Erfahrung«, antwortete sie vorsichtig.
»Dann gibst du also zu, dass du Gefühle für mich hast?«, beharrte Roberto.
»Ich kenne deinen Ruf und habe bisher nicht gewagt, darüber nachzudenken.«
»Rosanna, ich sage die Wahrheit. Ich liebe dich. Das weiß ich. Hier.« Er legte die Hand aufs Herz. »Es schmerzt, wenn du nicht bei mir bist. Ich sehne mich nach dir, träume nachts von dir, ich …«
»Roberto, ich gehe jetzt. Es ist sehr spät, und wir sind beide müde.« Rosanna erhob sich. »Du brauchst Zeit, um den Verlust deiner Mutter zu verarbeiten.«
»Bitte, Rosanna, bleib bei mir«, bettelte er.
»Nein.« Sie küsste ihn auf die Stirn. »Wir reden morgen weiter. Gute Nacht, Roberto.«
»Ich liebe sie. Ich liebe sie«, sagte er mit fester Stimme, als sie weg war.
Roberto wusste, dass so euphorische Gefühle so kurz nach dem Tod seiner Mutter falsch waren, aber er konnte nicht anders. Es war wunderbar und furchteinflößend. Er würde sich ändern, er konnte sich ändern. Rosanna machte ihn zu einem besseren Menschen. Dieser Abend war der Wendepunkt. Er kniete auf dem Boden nieder und bat seine Mutter um Vergebung.
Wenig später legte er sich schlafen.
Vielleicht, dachte er, war er in der Nacht ihres Todes neugeboren worden.
Das Klingeln des Telefons weckte Rosanna aus tiefem Schlaf.
»Ja?«
»Chris hier, Rosanna. Haben Sie schon einen Blick in die Zeitungen geworfen?«
»Nein. Ich liege noch im Bett.«
»Lassen Sie sich von der Rezeption die Times , den Telegraph und den Guardian hochbringen. Sogar die sonst so nüchternen Kritiker überschlagen sich in ihrem Lob für Sie. Die BBC und einige Sonntagszeitungen wollen Sie so bald wie möglich interviewen.«
»Ach.«
»Besonders begeistert klingt das nicht. Ist Ihnen die Bedeutung solcher Kritiken klar? Sie nennen Sie die neue Callas. Meine Liebe, Sie sind eine Sensation!«
»Das freut mich wirklich, Chris, aber … haben Sie das mit Robertos Mutter gehört?«
»Ja. Natürlich ist das schlimm für ihn, doch das Leben geht weiter. Würden Sie mich zurückrufen, wenn Sie aufgestanden sind, und mich wissen lassen, wann Sie die Journalisten empfangen können? Sie sind ganz heiß auf Sie. Ich bin die nächste halbe Stunde hier in der Wohnung. Gratuliere, Rosanna. Bis gleich.«
Rosanna sank seufzend in die Kissen zurück. Sie fühlte sich ausgelaugt. Wie es Roberto wohl ging? Am Abend zuvor hatte er ihr gesagt, er habe sich zum ersten Mal im Leben verliebt, und zwar in sie …
Nein, dachte Rosanna. Der Tod seiner Mutter hatte ihn aus der Fassung gebracht, er hatte nicht klar denken können. Vermutlich würde er sich heute entschuldigen, und sie würden miteinander umgehen wie bisher.
Sie nahm den Telefonhörer und bat die Rezeption, ihr die Zeitungen zu bringen, bevor sie Chris zurückrief und die Termine für die Interviews am Nachmittag vereinbarte.
Eine Stunde später, als sie gerade beim Frühstück saß, klopfte es an der Tür.
»Wer da?«, rief sie.
»Roberto.«
Rosanna öffnete die Tür.
» Cara !« Er nahm sie sanft bei den Schultern und küsste sie vorsichtig auf beide Wangen.
»Komm rein.«
»Danke.«
Sie gingen zum Frühstückstisch. Er wirkte müde und nachdenklich, angesichts der Ereignisse des Vorabends jedoch erstaunlich gelassen. »Ich war heute Morgen in der Kirche, habe gebeichtet und um Vergebung gebetet. Ich fühle mich gereinigt. Und ich bin entschlossen, meiner Mamma im Himmel zu beweisen, dass ich ein besserer Mensch werden kann.«
»Das freut mich, Roberto.«
Er nahm eine der Zeitungen in die Hand, die auf dem Tisch lagen.
»Ich habe die Kritiken gelesen. London liegt dir zu Füßen, meine Kleine. Gratuliere.«
»Dich loben sie auch.«
»Ja, ja.« Er winkte ab. »Sie schreiben immer das Gleiche: ›Wie stets verleiht Roberto Rossini seinem Alfredo mit seiner bemerkenswerten Stimme eine eindrucksvolle Persönlichkeit.‹ Ich bin Schnee von gestern, cara . Sie wollen nur dich. Darf ich dir einen Rat geben?«
»Natürlich.«
»Genieß diesen Moment, koste ihn aus. Das erste Mal ist einfach wunderbar. Auch wenn du wieder hymnische Kritiken für einen Auftritt in Covent
Weitere Kostenlose Bücher