Das Jahr auf dem Lande
erwischt, und sie konnte Craig und meine Frau pflegen. Tüchtiges Mädchen. Sie hätte eine großartige Krankenschwester abgegeben, aber ich bin froh, daß sie keine geworden ist. Ja, ich hatte auch Grippe, aber ich bin schon wieder auf den Beinen. Bei uns war es überhaupt nicht so schlimm — zwei Tage im Bett, dann waren wir alle wieder auf dem Damm. Die Bezirksschwester war mit Antibiotika da und mit all dem Zeug, aber wir hätten es auch ohne das geschafft. Der Doktor hat nur kurz hereingeschaut und alles der Schwester überlassen, weil er in der Stadt viel schlimmere Fälle hat. Dort geht’s anscheinend ziemlich hektisch zu.«
Adrian nahm die Zügel straff in die Hand. Kein Mitglied seines Haushalts durfte dem Epidemieherd in die Nähe kommen, nur Jo durfte ihn begleiten, ihm helfen, die Autoketten anzulegen und vor der Hütte die Suppe auszuteilen, die Christine gekocht hatte. »Vielleicht kannst du auch ein bißchen Eiermilch machen«, sagte er zu seiner Frau. »Nein, Robert, du weißt doch, wie leicht du solche Bazillen einfängst. Du bleibst hier und schlachtest ein Schaf für deine Mutter, damit sie noch mehr Brühe machen kann, und hältst die Farm in Schwung, so gut es geht. Jo und ich, wir schaffen es schon. Meine Tochter ist fast so robust wie ich, sie wird nicht krank. Außerdem werde ich sie nicht in die Nähe der Kranken lassen, also kann sie sich gar nicht anstecken. Sie wird immer im Auto sitzen bleiben.« Warum sie fast so robust sein sollte wie er, erklärte er nicht, aber Jo fühlte sich geschmeichelt.
Christine kannte Adrian in dieser Rolle. In Krisensituationen legte er seine entnervenden Eigenschaften ab und wurde stark und verläßlich wie ein Fels in der Brandung. Sie teilte seine seltsame Überzeugung, daß er immun gegen Grippeviren sei. Wenn Adrian jemals krank werden sollte, dann würde es etwas Dramatisches sein. Mit gewöhnlichen Bazillen gab er sich nicht ab.
Die nächste Woche verbrachte sie zum Großteil in der Küche, schnitt Fleisch und Gemüse für unvorstellbare Suppenmengen und bereitete zahllose Schüsseln mit Eiermilch vor. Die Eier und das Gemüse ließen sie aus Eldado kommen. Bruce pflegte seine kranke Frau, kümmerte sich um den Laden, das Postamt und gleichzeitig auch noch um die Tankstelle, weil Ted und seine Frau Grippe hatten. »Im Garten wächst massenweise Gemüse, aber ich habe keine Zeit, es zu holen«, sagte er zu Adrian. Und so grub der distinguierte Schriftsteller Möhren aus und pflückte Petersilie, ein Anblick, über den sich niemand amüsierte, weil niemand vorbeikam. Alle lagen entweder im Bett oder pflegten kranke Verwandte.
Wo immer Hilfe gebraucht wurde, tauchte Adrian mit seinen Suppentöpfen, mit seiner Eiermilch und gutgemeinten Ratschlägen auf, schenkte jedem ein aufmunterndes Lächeln. »Es tut einem schon gut, nur seine Stimme zu hören«, sagte eine Frau, und ihr Mann erwiderte: »Man sollte gar nicht glauben, daß der Bursche Bücher schreibt — wo er doch soviel gesunden Menschenverstand hat...«
Bald bekam Adrian Verstärkung, denn Lester Severne hatte seine leichte Grippe rasch überstanden und fühlte sich kräftig genug, um seine Tante und seinen Onkel zu pflegen. »Und stellen Sie sich dieses Wunder vor!« sagte er zu Adrian. »Die kleine Beth kam im Wagen ihres Mannes an und schleppte Lebensmittel ins Haus. Sie hat sich doch tatsächlich in die Höhle des Löwen gewagt.«
»Da hat also erst eine Grippewelle kommen müssen, um sie wieder zusammenzuführen. Hoffentlich wußten es Beths Eltern zu würdigen, daß sie den ersten Schritt getan hat.«
»Meine Tante brach bei ihrem Anblick in Tränen aus. Onkel James bemühte sich um eine würdige Haltung, aber da ihn eine Grippe erwischt hat, bei der er sich dauernd übergeben muß, fiel ihm das schwer. Beth trat mit warmen Decken und Waschschüsseln in Aktion, und alles ist bestens.«
»Und die alte Dame?«
»Oh, die ist immun. Sie würde sich nie dazu herablassen, eine simple Mittelstandsgrippe zu bekommen. Das alte Mädchen war sehr tapfer. Sie versuchte mir zu helfen, als ich auf schwachen Beinen umherkroch und die anderen pflegte. Aber nun hat sie die Verantwortung Beth übertragen, mit treffenden Bemerkungen über Familienverpflichtungen und Versöhnungen und der Aufforderung, alles vergeben und vergessen sein zu lassen. Bei den Holdens ist der Familienfriede wieder eingekehrt. Beth hat alles unter Kontrolle, und ihre Eltern staunen immer wieder über ihre Tüchtigkeit. Beth
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