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Das Jahr auf dem Lande

Das Jahr auf dem Lande

Titel: Das Jahr auf dem Lande Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Scott
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besser in der Gewalt haben. Verzeihen Sie, wenn ich Sie in Verlegenheit gebracht habe.«
    Robert zwang sich zu einem Lächeln. »Oh, schon gut. Immerhin haben Sie’s geschafft. Das Erdbeben ist vorbei. Diesmal war es wirklich schlimm. Kein Wunder, daß es Ihnen auf die Nerven ging.«
    »Nun ja, ich habe wenigstens bitte gesagt...«
    »Das letzte Mal nicht. Da waren Sie ganz schön autoritär. ..«
    In diesem Augenblick steckte Cynthia den Kopf zur Tür herein. »Alles in Ordnung, Großmutter? Ich wußte, daß Robert bei dir ist, und ich hatte soviel in der Küche zu tun.«
    »Vielen Dank, er hat gut für mich gesorgt, und er war auch bereit, einer närrischen alten Frau Zugeständnisse zu machen.«
    Cynthia zog sich wieder zurück, und Robert erzählte der alten Mrs. Holden von seinen Lämmern. Von der ungewöhnlichen Szene während des Erdbebens wurde nicht mehr gesprochen, und Robert verriet auch seiner Familie nichts davon, aus loyalen Motiven. Nach jenem ereignisreichen Sonntag wurde das Band zwischen der alten Dame und dem jungen Farmer noch fester.
    Draußen im Freien spielte sich ein anderes Drama mit ernsteren Nachwirkungen ab. Jo und Lester hatten das Pferd besichtigt und dann Tennis gespielt. Voller Übermut hatte Jo den Ball so hoch und hart geschlagen, daß er in der Dachrinne des großen alten Hauses gelandet war. Lester lachte. »Jetzt muß ich eine Leiter holen — nicht für dich, aber für mich. Du hast eine einzige menschliche Schwäche zugegeben, und die darfst du hegen und pflegen.«
    Aber damit war Jo nicht einverstanden. »Ich habe den Ball hinaufbefördert, also hole ich ihn auch wieder herunter. Die Leiter ist ja sehr massiv.«
    Sie kletterte hinauf, und die Leiter stand sicher und fest, aber ausgerechnet in dem Augenblick, als Jo nach dem Ball griff, begann das Erdbeben. Sheikh, dessen Nerven man bei solchen Naturkatastrophen niemals trauen durfte, heulte gellend auf und stürmte ins Haus. Dabei stieß er gegen die Leiter, und sie stürzte krachend zu Boden. Jo fiel herab und blieb eine Minute lang reglos auf dem harten Beton liegen. Die Erdstöße wiederholten sich, aber Lester merkte nichts davon. Alles, was er sah, war Jo, die mit geschlossenen Augen dalag, das schöne Gesicht von einer wächsernen Blässe überzogen. Er rannte zu ihr, ließ sich neben ihr nieder, und ohne die Erste-Hilfe-Regeln zu beachten, bettete er ihren Kopf in seinen Schoß. »Liebling«, flüsterte er und strich ihr über die Wangen. »Ist es sehr schlimm?«
    Zu seiner Überraschung und ungeheuren Erleichterung schlug sie die Augen auf und wiederholte leise das Wort: »Liebling...« Er war hingerissen, aber er sah ein, daß sie nicht bis in alle Ewigkeit da hocken und einander »Liebling« nennen konnten, so himmlisch das auch war. Er zog seine Jacke aus, legte sie zusammengefaltet auf den Boden und bettete ihren Kopf darauf. »Ich hole Hilfe — oder einen Brandy. Es dauert nur eine Minute.«
    Er fand, daß sie das erstaunlichste und wunderbarste Mädchen der Welt war, denn bei diesen Worten versuchte sie doch tatsächlich, sich aufzurichten. Und als er zu ihr lief, um ihr zu helfen, stützte sie sich auf seinen Arm und sagte: »Hol niemanden! Ich bin nicht verletzt. Ich habe mir nur den Kopf angeschlagen, und das hat mich für ein paar Sekunden betäubt. Mach dir keine Sorgen. Hilf mir zu dem Stuhl dort. Ich will lieber sitzen.« Und dann saß sie in einem Gartenstuhl. Als er meinte, der Stuhl sei zu hart, lächelte sie schwach und sagte: »Nicht so hart wie der verdammte Beton. Weißt du, ich hätte doch ganz gern einen Brandy.«
    Er stürmte davon und kam nach wenigen Augenblicken zurück, und da betastete sie vorsichtig ihren Kopf und meinte: »Das wird eine Beule, so groß wie ein Straußenei.« Und dann lachte sie.
    Er rannte auf sie zu mit dem Brandyglas, das er viel zu voll geschenkt hatte. »Lach nicht, Liebling, sitz ganz still und trink das.«
    »Ich fand es nur so komisch, daß ich von einem Straußenei sprach, obwohl ich noch nie eins gesehen habe. Sind Straußeneier sehr groß? Meine Beule wird nämlich riesig.«
    Er erkannte voller Mitgefühl, daß sie ein bißchen hysterisch war, setzte sich auf die Armlehne und sagte sanft: »Red nicht soviel und trink das — aber nicht zu schnell!« Er hielt ihr das Glas an die Lippen, und die echte Jo erwachte wieder zum Leben.
    Sie nahm ihm das Glas aus der Hand, obwohl ihre Finger zitterten und sie ein wenig von dem Brandy verschüttete. »Ich bin doch kein

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