Das Jahr der Flut
und hatte das letzte Wort. Ich tanzte ihnen eine Standardnummer aus der Tanzgymnastik vor, und Mordis sagte, ich sei genau das, was er suchte, ich hätte ein Wahnsinnstalent, und wenn ich beim Scales anfinge, würde ich es nicht bereuen, dafür würde er sorgen. »Du kannst sein, wer du willst«, sagte er. »Deiner Fantasie freien Lauf lassen!« Da hätte ich fast unterschrieben.
Aber der AnuYu-Stand war direkt neben dem Scales-Stand, und in diesem Team saß eine Frau, die mich sehr an die Gärtner-Toby erinnerte, wobei sie dunklere Haut hatte und andere Haare, und ihre Augen waren grün, und ihre Stimme war rauer. Sie nahm mich beiseite und wollte wissen, ob ich in Schwierigkeiten sei, und schon erklärte ich drauflos, dass ich aus familiären Gründen das College verlassen müsste. Ich würde jeden Job nehmen, sagte ich, ich wäre lernfähig. Als sie nach den familiären Gründen fragte, platzte ich damit heraus, dass mein Vater entführt worden war und meine Mutter kein Geld mehr hatte. Ich merkte, wie mein Stimme zittrig wurde: Es war nicht mal total gespielt.
Dann fragte sie mich nach dem Namen meiner Mutter. Ich nannte ihn, und sie nickte: Sie würde mich im AnuYu-Spa als Lehrling einstellen, und ich könne direkt auf dem Gelände wohnen und bekäme dort eine Ausbildung. Ich würde mit Frauen zusammenarbeiten, nicht mit Männern, die betrunken und gewalttätig waren wie so oft im Scales, Zahnversicherung hin oder her; und ich würde keinen Bodystrumpf tragen und mich von fremden Männern anfassen lassen müssen. Es sei eine heilsame Atmosphäre, und ich würde anderen Menschen helfen.
Diese Frau sah wirklich aus wie Toby, und seltsamerweise stand auf ihrem Namensschild auch noch der Name Tobiatha. Das fasste ich als Zeichen auf − dass ich da wirklich sicher sein würde und willkommen und auch gewollt. Also sagte ich zu.
Mordis gab mir trotzdem seine Karte. Wenn ich’s mir anders überlegen sollte, würde er mir einen Job geben, jederzeit, ohne lästige Fragen.
53.
Das AnuYu-Spa lag mitten im Heritage Park. Ich hatte schon viel davon gehört, weil Adam Eins immer total dagegen gewesen war − er sagte, viele Lebewesen und auch Bäume wären zerstört worden, um einen Tempel der Eitelkeit zu errichten. Am Tag der Befruchtung hielt er manchmal eine ganze Predigt darüber. Aber ich war trotzdem glücklich dort. Es gab Rosen, die im Dunkeln leuchteten, und tagsüber sah man große rosa Schmetterlinge und nachts wunderschöne Kudzu-Motten, und es gab einen Swimmingpool, auch wenn er nicht für das Personal gedacht war, und ganz viele Brunnen und einen hauseigenen Bio-Gemüsegarten. Die Luft war besser als im Stadtzentrum, man musste nicht dauernd seinen Nasenhut aufsetzen. Es war wie ein beruhigender Traum. Ich kam in die Wäscherei, wo ich Laken und Handtücher zusammenlegen musste, und das gefiel mir gut, wegen der friedlichen Atmosphäre: Alles war rosa.
An meinem dritten Tag, als ich gerade einen Stapel saubere Handtücher in eines der Zimmer trug, kam mir Tobiatha entgegen und bat mich um ein Gespräch. Ich dachte schon, ich hätte irgendwas falsch gemacht. Wir gingen ein Stück über den Rasen, und sie bat mich, mit gedämpfter Stimme zu reden. Dann sagte sie, sie hätte gemerkt, dass ich sie wohl irgendwie kenne; sie hätte mich auf jeden Fall wiedererkannt.
Sie hätte mir den Job gegeben, weil ich eine ehemalige Gärtnerin war, und jetzt, wo der Garten zerstört worden war, hätten wir die Pflicht, aufeinander aufzupassen. Sie sehe mir an, dass ich in Schwierigkeiten steckte, abgesehen von meinen Geldproblemen. Was denn mit mir los sei?
Ich fing an zu weinen, denn das mit dem Garten war mir nicht klar gewesen. Es war ein Schock: Anscheinend hatte ich die ganze Zeit darauf spekuliert, dass ich im schlimmsten Fall wieder zu den Gärtnern zurückkönnte. Sie setzte sich mit mir neben einen der Brunnen − wo das Rauschen des Wassers unsere Stimmen übertönen würde, falls irgendwo Richtmikrofone aufgestellt wären, sagte sie −, und ich erzählte ihr von HelthWyzer und wie ich über Amanda noch mit den Gärtnern Kontakt gehabt hatte, bevor mir mein Telefon weggenommen wurde, und dass ich danach überhaupt nichts mehr vom Garten gehört hätte. Davon, dass ich mich in Jimmy verliebt und dass er mir das Herz gebrochen hatte, sagte ich nichts, aber ich erzählte von Martha Graham und wie mich Lucerne nach der Entführung meines Vaters aus heiterem Himmel ausgebootet hatte.
Dann sagte ich,
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