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Das Jahr der Flut

Das Jahr der Flut

Titel: Das Jahr der Flut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret Atwood
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sexrelevanten Probleme aus der Welt schaffen würde. Wir hatten uns das Privileg erarbeitet, sie unseren Kunden vorstellen zu dürfen. Diese Frau hatte einen Managertitel von ReJuv − stellvertretende Vorsitzende der Abteilung Befriedigungsoptimierung −, aber ihre Hauptaufgabe bestand darin, Glenns wichtigste Ficknummer zu sein.
    Dass sie mal eine von uns war, merkte ich sofort: eine Professionelle, auf welche Art auch immer. Es war offensichtlich, wenn man wusste, worauf man achten musste. Sie spielte ununterbrochen eine Rolle, gab nichts über sich preis. Ich beobachtete sie auf dem Bildschirm; ich war neugierig, weil Glenn doch so ein kalter Fisch war, aber er konnte tatsächlich Sex haben wie ein ganz normaler Mensch. Dieses Mädchen war beweglicher als ein Tintenfisch, und ihre Arbeit am Mann war der Wahnsinn. Glenn tat so, als wäre sie das erste, letzte und einzige Mädchen auf der ganzen Erde. Mordis sah den beiden auch immer zu und sagte, das Scales würde diesem Mädchen richtig was zahlen. Aber ich sagte zu ihm, so eine könne er sich gar nicht leisten: Die war jenseits seiner Preislage.
    Die beiden hatten Spitznamen füreinander. Sie nannte ihn immer Crake, und er nannte sie Oryx. Die anderen Mädchen fanden das seltsam − dieses Geturtel −, weil es so untypisch war für Glenn. Aber ich fand’s eigentlich ganz nett.
    »Soll das Russisch sein oder was?«, fragte mich Feuerblüte. »Oryx und Crake.«
    »Nehm ich mal an«, sagte ich. Es waren ausgestorbene Tierarten − als Gärtner musste man sich tonnenweise davon merken −, aber hätte ich’s gesagt, hätten sich die Mädchen gewundert, woher ich das weiß.
    Als Glenn zum ersten Mal ins Scales kam, erkannte ich ihn sofort, aber er mich natürlich nicht in meinem Biofilm-Strumpf und den grünen Pailletten im ganzen Gesicht, und ich gab mich auch nicht zu erkennen. Mordis verbat sich persönliche Beziehungen zu den Kunden, denn wer auf Partnersuche war, konnte woanders suchen. Er sagte, den Scales-Kunden sei unsere Lebensgeschichte egal, sie wollten Haut und Fantasien und sonst gar nichts. Sie wollten sich in ein Märchenland entführen lassen, wo sie sündige Sachen erleben konnten, die sie zu Hause nie und nimmer bekommen würden. Von Drachendamen umschlängelt werden, unter Schlangenfrauen liegen. Unseren eigenen emotionalen Mist sollten wir bei Leuten abladen, die wirklich was für uns empfanden, zum Beispiel bei den anderen Scales-Mädchen.
    *
    Einmal bestellte Glenn einen Abend mit nochmal besonderem Service − für einen ganz besonderen Gast, wie er sagte. Er buchte den Federraum mit der grünen Bettdecke, dazu die stärksten Scales-and-Tails-Martinicocktails − die sogenannten Kicktails − und zwei Scales-Mädchen, nämlich mich und Feuerblüte. Mordis suchte uns beide aus, weil Glenns Gast angeblich auf knabenhaft stand.
    »Will er die Schulmädchennummer im Matrosenanzug?«, fragte ich; oft war es das, was unter »knabenhaft« verstanden wurde. »Soll ich mein Springseil mitbringen?« Wenn ja, musste ich mich umziehen, denn noch war ich in voller Glitzermontur.
    »Der Typ ist schon jetzt so abgefüllt, dass er gar nicht mehr weiß, was er will«, sagte Mordis. »Gib ihm einfach alles, was du hast, Häschen. Wir wollen ein paar fette Trinkgelder sehen. Sorg mal dafür, dass ihm die Nullen nur so aus den Ohren schießen.«
    Als wir in den Raum kamen, lag der Typ auf dem Bett mit der grünen Satindecke, als hätte man ihn gerade aus einem Flugzeug geworfen, aber er war glücklich dabei, denn er grinste vom Scheitel bis zur Sohle.
    Es war Jimmy. Der süße verheerende Jimmy, der mir mein Leben verpfuscht hatte.
    Mein Herz drehte sich einmal und stand Kopf. Ach du Scheiße, dachte ich. Das kann ich nicht. Ich krieg zu viel und fang an zu heulen. Ich wusste ja, dass ich nicht zu erkennen war: Ich war von Kopf bis Fuß mit Glitzer bedeckt, und er war so zugedröhnt, dass er kaum noch aus den Augen gucken konnte. Also legte ich einfach mit der üblichen Nummer los und machte mich an seinen Knöpfen und Klettverschlüssen zu schaffen. »Krabbenpulen«, sagten wir Scales-Mädchen immer dazu. »Toller Waschbrettbauch«, flüsterte ich. »Entspann dich einfach, Schätzchen.«
    War es schrecklich oder war es schön? Warum musste es immer das eine oder das andere sein?
Nimm zwei, die sind billig,
so pries Vilya immer ihre Titten an.
    Jetzt versuchte er, mir die Schuppen vom Gesicht zu schälen, und ich musste ständig seine Hände nehmen und sie

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