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Das Jahr, in dem ich 13 1/2 war - Roman

Das Jahr, in dem ich 13 1/2 war - Roman

Titel: Das Jahr, in dem ich 13 1/2 war - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beltz & Gelberg
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den anderen. Ich habe schon Hunger. Was ist denn dein Lieblingsessen?«
    Ich bin in Gedanken bei diesem Labyrinth und denke überhaupt nicht ans Essen. »Was für ein Labyrinth?«, frage ich.
    »Ein Steinlabyrinth. Da hat der liebe Gott die Sandsteinfelsen so hingelegt, dass man sich darin verlaufen kann.«
    »Was hat denn das mit dem lieben Gott zu tun?«, rutscht es mir heraus. Ich kann nun mal nicht glauben, dass im 21. Jahrhundert jemand im Ernst denkt, der liebe Gott würde Felsen hinlegen.
    »Das war nur so gesagt, Tine. Natürlich weiß ich, wie die Sächsische Schweiz erdgeschichtlich entstanden ist und dass die Labyrinthsteine die Reste von einem größeren Felsen sind, der von Frost und anderen Einflüssen gesprengt wurde. Das weiß ich alles. Aber mir kommen solche Worte manchmal in den Sinn, wenn ich besonders begeistert bin, wie schön etwas ist. Kannst du das verstehen?«
    Das kann ich. Aber das mit dem lieben Gott?
    Als hätte er meine Gedanken gehört, ergänzt er: »Es gibt so wunderbare Dinge, die zugleich so natürlich sind, dass sie den Verstand übersteigen. Und dann staune ich und rede vom lieben Gott. Aber ich will es in Zukunft vermeiden, wenn es dich stört.«
    »Nein, lass nur!« Es überrascht mich selbst, wie ich das sage. Stimmt aber. Wenn er das so erklärt, werde ich fast neidisch darauf, dass er so reden kann. Und trotzdem ist es komisch.
    »Aber es ist doch so altmodisch«, presse ich hervor.
    »Was ist altmodisch?« Er bleibt stehen, wendet sich mir zu und sieht mich mit seinem offenen Gesicht an.
    »Wenn du so redest, das ist altmodisch. So was kann man doch nicht glauben, der liebe Gott und solches Zeug!«
    »Aber warum denn nicht, Tine? Das verstehe ich nicht.«
    »Mensch, Opa. Weil es keinen lieben Gott gibt.« Ich kriege rote Ohren vor Aufregung. Zum Glück bleibt das unter meiner Mütze verborgen.
    »Woher weißt du das?«, fragt er mich geduldig.
    Woher ich das weiß? Gute Frage. Keine Ahnung, aber das kann ich doch nicht zugeben.
    »In der Schule redet kein Mensch von Gott.« Ich fühle mich plötzlich hilflos.
    Opa richtet sich ein bisschen auf und schnaubt hörbar Luft durch die Nase. »Na ja, das ist doch klar. Die meisten deiner Lehrer werden mit Gott auch nichts anfangen können. Und außerdem denken sie, dass Religion nicht in die Schule gehört.«
    »Aber wieso kannst du dann so reden?«
    »Ich bin sicher, dass es Gott gibt, Tine. Mehr kann ich dir zur Begründung nicht anbieten.« Jetzt haben seine Augen einen traurigen Schimmer.
    »Aber man kann ihn nicht sehen. Nicht mal vom Weltall aus. Man kann ihn nicht hören. Nicht mal mit ultrafeinen Mikrofonen.« Ich bringe meine wichtigsten Grün de vor.
    »Nein, natürlich nicht. Aber ist das wichtig?« Er regt sich auch ein bisschen auf. »Warum musst du Gott sehen können? Kannst du jetzt in diesem Augenblick Maria sehen?«
    Was soll denn diese komische Frage?
    »Nö«, mehr bleibt mir nicht zu sagen.
    »Und kannst du sie trotzdem liebhaben?«, bohrt er weiter.
    »Na klar, und wie!« Ich kann das ganz laut rufen, denn Maria liebe ich. Sie ist das Beste auf der Welt, was es gibt.
    »Siehst du.«
    Hä?
    »Was hat denn das damit zu tun?«, fahre ich ihn wütend an.
    »Ich muss Gott nicht sehen können, um zu wissen, dass es Gott gibt. Ich muss etwas nicht sehen können, um Liebe zu empfinden«, erklärt er. »Ich habe das Beispiel mit Maria nur genommen, um das mit der Unsichtbarkeit ein bisschen zu entkräften, verstehst du?«
    Ja, das verstehe ich. Da hat er recht.
    »Aber was das mit Gott zu tun hat, ist mir immer noch schleierhaft.«
    »Und ich kann nicht verstehen, warum immer alle Leute von der Unsichtbarkeit anfangen, wenn es um Gott geht.« Jetzt sind wir quitt.
    »Aber wie kannst du so was glauben, wenn Gott noch nie jemand gesehen hat?« Ich fange an zu nörgeln.
    »Ich halte es einfach für wahr, Tine. Ich kann nicht anders und ich will nicht anders. Und beweisen kann ich Gott nicht. Mehr fällt mir dazu nicht ein. Vielleicht solltest du mal Carsten fragen. Er kann es dir möglicherweise besser erklären als ich.«
    Opa will aufhören, ich auch. Aber jetzt frage ich mich trotzdem, woher Opa wissen will, dass Carsten an Gott glaubt. Wenn ich mal ganz mutig bin, frage ich Carsten selbst. Ich will es wissen. Mal sehen, was der dann sagt.
    Wir wenden uns wieder dem Weg zu und Opa stapft los.
    »Am liebsten esse ich gebratene Nudeln!«, rufe ich ihm nach und versuche, harmlos zu klingen.
    »Das gibt’s doch nicht! Ich

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