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Das Jahr, in dem ich 13 1/2 war - Roman

Das Jahr, in dem ich 13 1/2 war - Roman

Titel: Das Jahr, in dem ich 13 1/2 war - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beltz & Gelberg
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Sachen anfängt, daran denken, dass Manu auch was mit Kirche anfangen kann. Irgendwann hat Carsten sogar gefragt, ob es sein kann, dass Manus Eltern den Irak verlassen mussten, weil sie Christen sind. Mit dieser Frage wäre ich am liebsten gleich zu ihr geflitzt, aber dann fiel mir Graf ein, und sofort krochen die Gespenster wieder aus ihren Schatten, und ich fühlte mich hilflos und so verdammt machtlos, dass ich eine riesengroße Wut kriegte. Auf der sitze ich ständig, und wenn ich mich mit ihr treffe, explodiere ich bestimmt. Das will ich lieber nicht. Und deshalb meide ich sie. Das geht ganz gut.
    Bis auf die Begegnungen beim Training. Dort gucke ich mir ihr Gebalze mit Graf dreimal an, dann nehme ich mir vor, was zu sagen. Ich kann nicht anders. Nach dem Training stehen wir nebeneinander am Fahrradständer. Ich bummle rum, bis alle anderen aus unserer Mannschaftweg sind. Manu ruft hundertmal »tschüss« und »bis morgen«, dann sind wir endlich allein.
    »Manu, es ist nicht zu übersehen, dass du was mit dem hast. Ich wette, die anderen quatschen schon. Willst du das?«, gehe ich sie direkt an. Meine Wut ist nicht zu über hören, aber ich versuche, sie niederzukämpfen.
    »Ja, ich will mich zu ihm bekennen«, überrumpelt sie mich.
    »Bist du denn völlig übergeschnappt, Manu?«, rufe ich völlig außer mir. »Krieg dich ein! Du hast was mit einem Lehrer, der eine Familie hat. Nie im Leben setzt der das für dich aufs Spiel.«
    Es pfeift ein kalter Wind, aber der Winter ist fast vorbei. Eigentlich könnten wir wirklich Freundinnen sein, wenn sie sogar solche Ausbrüche von mir aushält. Aber ich merke, dass ich sie nicht erreiche. Ich spüre das ganz genau.
    »Er wird sich entscheiden, Tine. Und ich werde seine Wahl sein.«
    »O Gott, Manu! Willst du das wirklich? Du bist verrückt. Der ist fünfundzwanzig Jahre älter als du. Der könnte dein Vater sein!«
    »Na und?«, antwortet sie schnippisch. »Gehen wir heute schwimmen? Hast du Lust?«, lenkt sie plötzlich ab. Ich kenne das schon, wie schnell ihre Stimmung wechselt. Sie beherrscht die Kunst der Ablenkung perfekt und ich lass mich drauf ein.
    »Okay, aber eins noch. Ich höre mit dem Training auf. Ich kann das nicht mehr mit ansehen. Ich gehe wieder zu Leichtathletik.«
    »Aber wir brauchen dich!« Da ist sie wieder, ganz die energische Kapitänin.
    »Dafür nicht. Das mach ich nicht mit.«
    Ich kann die zwei Sachen nicht trennen, und ich bin froh, dass ich es endlich gesagt habe. Ich bin froh, das alles los zu sein. Aber trotzdem quält es mich. Ich merke ihr an, wie viel Angst sie hat, aber es scheint keinen Ausweg zu geben. Ich kann jedenfalls keinen sehen.
    Zu Hause ist großes Theater angesagt. Mellas achtzehnter Geburtstag steht vor der Tür. Wie wollen wir ihn feiern? Wer wird eingeladen? Willst du eine Party für dich und deine Leute allein? Fragen, die die Welt bewegen.
    Mella hat genaue Vorstellungen. Sie will erst im nächsten Monat zusammen mit einer Freundin im Werk II feiern und dazu alle Freunde einladen. Sie teilen sich die Ausgaben. Das ist gerade in bei uns. Das Werk II ist eine Kulturfabrik in Connewitz, ganz in der Nähe von der Kirche, in der ich getauft wurde, fällt mir da ein.
    »Außerdem würde ich gern Carstens Eltern einladen«, verkündet Mella eines Abends. »Und auch meinen Vater möchte ich sehen«, ergänzt sie.
    »Das sind zwei völlig verschiedene Welten«, sagt meine Mutter nach einer Minute Schweigen. »Richard und Hanni kann ich gern für dich einladen. Aber zu Paul musst du selbst Kontakt aufnehmen.«
    »Vielleicht meldet er sich auch von allein«, meint Mella. »Obwohl, das glaube ich nicht. Der denkt garantiert nicht dran, dass ich dieses Jahr achtzehn werde.«
    »Eigentlich ist Frühling seine Standardmeldezeit«, fällt mir ein. »Letztes Jahr waren wir im Mai in Berlin.«
    »Aber seitdem war auch völlige Funkstille, oder?«, fragt meine Mutter.
    Klar, sie hat recht. Wie immer. Carsten sieht uns irgendwie traurig an. Ich bin froh, dass er sich nicht einmischt.
    Was soll ich meiner Schwester schenken? Sie ist schon so beschenkt, finde ich. Sie hat ihren Christoph, ja, das habe ich noch gar nicht erzählt. Tom hat sie in die Wüste geschickt und jetzt sitzt manchmal Christoph mit bei uns am Tisch. Er sieht total gut aus und ist fast so still wie Carsten. Aber Mella ist völlig aufgedreht, wenn er da ist. Ich darf dann nicht ins Zimmer. Das nervt mich, aber ich traue mich sowieso nicht rein. Was ich da alles zu

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