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Das Jahr, in dem ich 13 1/2 war - Roman

Das Jahr, in dem ich 13 1/2 war - Roman

Titel: Das Jahr, in dem ich 13 1/2 war - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beltz & Gelberg
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und sehe Mella beim Auspacken zu, dabei redet sie ohne Punkt und Komma. Sie führt mich auf die Karlsbrücke und durch die Altstadt, sie schwärmt vom magischen Theater Laterna magica, in das sie auf An raten ihrer Deutschlehrerin auf eigene Kosten gegangen waren, und sie berichtet mit ernsten Augen von der Syna goge und dem jüdischen Friedhof. Ich lasse sie reden und staune gelegentlich vernehmlich, dann hört sie nicht so schnell auf. Dabei lässt mich ein Gedanke nicht los: Wen kann ich in Manus Geschichte einweihen? Wer könnte mir helfen, sie da rauszuholen? Ob Mella mir helfen kann?
    »Mella, gibt es Menschen, denen man alles erzählen kann?« Mitten im Satz über so eine berühmte kleine Gasse auf der Burg wird sie unterbrochen und blickt mich fragend an.
    »Hä?«
    »Gibt es Menschen, Erwachsene, meine ich, denen man alles erzählen kann und die Geheimnisse bewahren?«
    »Was hast du auf dem Herzen?« Meine Schwester ist ein feinfühliger Mensch. Sie wittert gleich Lunte und meint, sie kann mich erlösen.
    »Nein, Mella, dir kann ich das nicht erzählen. Das ist nicht möglich. Aber nicht, weil ich dir nicht vertraue. Es hat einen anderen Grund. Ich kann es aber nicht sagen.«
    »Bist du schwanger?«
    Das kann nur von ihr kommen. Ich muss lachen. »Ja, aus der Schwimmhalle. Ich hab mir da was eingefangen.«
    »Sei nicht albern!«
    »Sei selbst nicht albern. Ich hab dich was gefragt und du kommst mir mit Schwangerschaft.«
    »Hätte ja sein können.«
    »Mella, ich bin dreizehneinhalb. Ich habe noch nie einen anderen Menschen geküsst außer Familienangehörige. Ich habe von nichts eine Ahnung. Ich kann unmöglich schwanger sein. Punkt. Aber ich habe eine wichtige Frage. Kannst du die vielleicht beantworten?«
    »Geh zu deiner Vertrauenslehrerin.«
    Zu Frau Stella?
    Pünktlich zum Schulbeginn ist die ganze weiße Pracht weggetaut und Leipzig zeigt sich im schönsten grauen Matschgewand. Meine Mutter und ich bringen Maria zur Krippe, dann trennen wir uns an der Straßenbahnhaltestelle. Sie fährt zu ihrem ersten Arbeitstag nach der Babypause zur Uni und ich, ich gehe zur Schule.
    »Sag Frau Schneider, ich rufe sie bald an«, gibt sie mir mit auf den Weg. Als hätte ich vergessen können, dass ich in die letzte Runde gehe. Oder soll ich mich doch anstrengen und dort bleiben? Würde es mir helfen, wenn ich mir mehr Freundinnen suchen würde?
    Ich trotte lustlos durch die Pfützen, als mich Ulli fröhlich von der Seite anstößt. Sie ist braungebrannt und lacht übers ganze Gesicht. »Ich hatte traumhafte Ferien. Und du?«
    »Hallo, Ulli! Och, ja, ich auch.« Ich sehe sie an und bemerke sofort die neue Winterjacke. Sie zupft an ihrem Kragen und sagt, dass sie die aus Österreich mitgebracht hat. Ich freue mich für sie, jedenfalls versuche ich es, und dann erzähle ich ihr kurz von der Sächsischen Schweiz und meinen Großeltern. Sie will wissen, wie das mit dem Gutschein ausgegangen ist. Daran erinnert sie sich! Ich erzähle ihr also auch noch von dem zweiten Schuh und der Idee, zu Ostern wieder hinzufahren und dann die Schuhe zu kaufen.
    »Kann ich da vielleicht mit?«, fragt sie auf der Stelle.
    Das gibt es doch nicht. Ich hätte niemals gedacht, dass ich jemand finden könnte, der Lust zum Wandern hat, und schon fragt Ulli mich, ob sie mitkommen kann.
    »Bestimmt!« Ich juble richtig. »Ich muss nur meine Großeltern fragen. Aber wie ich die kenne, sagen die auf jeden Fall ja.«
    Ich könnte auf der Stelle Pläne schmieden und würde ihr gern noch viel mehr von den Bergen erzählen, aber da holt sie mich in die Wirklichkeit zurück.
    »Wann fangen wir an zu lernen?«, fragt sie mich. Mir wird kalt. Lohnt sich das überhaupt noch? Soll ich mich wirklich anstrengen?
    »Ich geh zum neuen Schuljahr zurück auf die Mittelschule«, gestehe ich mutig. »Da kann ich mir die Lernerei eigentlich sparen.«
    Sie bleibt mitten auf dem Weg stehen und sieht ganz traurig aus. Sie schweigt. Dann geht sie weiter und streicht sich hilflos über den Pony.
    »Wieso das denn?«, fragt sie endlich. »Wenn du dich anstrengst, kannst du die Klasse problemlos schaffen.«
    Ich habe keine Lust, alles noch mal von vorn zu erklären. Ich bin so froh, dass ich mich zu dieser Entscheidung durchgerungen habe.
    »Ich weiß doch auch nicht«, murmle ich ausweichend.
    »Du bist blöd«, sagt sie mit hörbarer Enttäuschung in der Stimme. »Ich dachte, wir werden richtige Freundinnen und boxen dich durch.«
    »Sei nicht böse. Ulli! Bitte! Ich

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