Das Jahrhundert der Hexen: Roman
verspürte er jedes Mal eine lähmende Schwäche. Dazu kam das Geräusch tropfenden Wassers. Platsch … platsch …
Quietschend öffnete sich die Tür ein Stück weit. In dem Spalt stand Djunka. Die nassen, offenen Haare fielen ihr über die Schultern, und aus den haarigen Eiszapfen sickerte in glasklaren Strömen Wasser. Der schlangenfarbene, feuchte Badeanzug schimmerte matt.
In der ersten Zeit war es ihm nicht leicht gefallen. Allerlei Unsinn hatte er da gebrabbelt und versucht, seine Angst und eine quälende Befangenheit hinter Albernheit zu verbergen. An solchen Tagen hatte Djunka geschwiegen, mit geschlossenem Mund ein Lächeln angedeutet und nur genickt, traurig und verständnisvoll.
Nach und nach hatte er sich dann an die Situation gewöhnt und angefangen, ohne weiche Knie, ohne diese Lähmung und auch ohne nächtliche Albträume auf ihr Erscheinen zu warten. Als dann auch Djunka fröhlicher wurde, hatte er endgültig geglaubt, sie sei zurückgekehrt.
Stets redete er, während sie zuhörte. Ihre Gespräche kreisten um nichts Bestimmtes. Manchmal legte sie ihm eine kalte Hand auf die Schulter. Mit zusammengepressten Zähnen versuchte er, nicht zu erschaudern. Schließlich nahm er ihre Hand in die seine, woraufhin sich die Eishand erwärmte; Klaw hauchte einen Kuss darauf. Wie verhext murmelte er: »Djunka, ich habe nie eine außer dir … Djunotschka, könntest du nicht für immer zurückkehren? Komm mit mir, wir wollen in der Stadt leben, und wenn du willst, gebe ich die Schule auf …«
Sie schwieg und lächelte geheimnisvoll. Kein Ja, kein Nein.
Als sie aufbrach, legte sie den Finger vor den Mund, eine magere Figur, das Sinnbild ewigen Schweigens. Er blieb in dem leeren Zimmer zurück, tigerte von einer Ecke zur anderen und zählte bis hundert. Dann schlüpfte er hinaus, schnappte sich einen alten Besen, der unter der Vortreppe stand, und machte sich daran, den Weg gründlich zu fegen, denn hier und da waren im Schnee und im überfrorenen Sand die Abdrücke nackter Füße zu erkennen. Zum Schilf hin verloren sich die Spuren. Klaw verschnaufte, blickte zu den Sternen hoch, die inzwischen am Himmel standen, schulterte die Sporttasche und ging zur Bushaltestelle, um am übernächsten Tag wiederzukommen.
Juljok Mytez nahm Klaws Stimmungswechsel schweigend und voller Freude zur Kenntnis. Endlich hatte sein Zimmergenosse eine neue Freundin gefunden, eine feste, anständige, kein Flittchen. Und Juljok glaubte sich allen Ernstes für die Heilung seines Freundes mitverantwortlich: Hatte er also nicht umsonst so lange auf Klaw eingeredet und ihm diesen Gedanken schmackhaft gemacht. Auch die schöne Myra, seine eigene ehemalige Freundin, hatte er ihm nicht umsonst vorgestellt. Selbst wenn es mit den beiden nicht geklappt hatte, hatte sein Freund endlich das innere Gleichgewicht wiedergefunden.
Das Einzige, was dem gutherzigen Juljok nicht gefiel, war der ständige Tabakgeruch, der sich hartnäckig in ihrem Zimmer hielt. Klaw rauchte wie eine Chemiefabrik. Billige, stinkende Zigaretten.
Zu Frühlingsbeginn wurde Klaw siebzehn. Die chronische innere Anspannung, die Liebe, die Freude und das Geheimnis, das er permanent mit sich trug, machten ihn für Frauen aller Art zu einer begehrenswerten Beute. Brummend entdeckte Juljok immer wieder Briefe von Verehrerinnen unter der Zimmertür. Klaw deutete lediglich mit dem Mundwinkel ein Lächeln an, während der lebenslustige Mytez über diese ritterliche Treue nur staunen konnte. Was für ein monogamer Kerl! Der sah nicht einmal einer anderen hinterher!
Er hieß Priw. Der saubere Treppenabsatz vor seiner schmalen Wohnungstür roch nach feuchtem Staub und kaltem Tabakrauch. Ywha biss sich auf die Lippe. Der Geruch, das Muster auf dem braunen Kunstleder und die seltsam geschwungene Holzklinke erinnerten sie an jenen Tag, als Nasar und sie zum ersten Mal in seine Stadtwohnung gegangen waren. Als durchlaufe die Zeit voller Spott den nächsten Kreis und alles, was Ywha bisher widerfahren war, zeigte es sich nun noch einmal in einem hässlichen Zerrspiegel.
»Komm rein.«
Im Flur roch es anders, nach Kleister, Seife und etwas, das sie nicht bestimmen konnte. Ywha schluckte dicken Speichel hinunter.
»Möchtest du einen Kaffee?«
Bei dem Gedanken an Kaffee wurde Ywha schlecht. All die billigen Cafeterien mit den immer gleichen weißen Tassen, der dunkle Satz am Boden sowie die schrägen und schmierigen Blicke der Stammkunden fielen ihr ein.
Einen Tee oder Milch,
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