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Das Jahrhundert der Hexen: Roman

Das Jahrhundert der Hexen: Roman

Titel: Das Jahrhundert der Hexen: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Dyachenko , Marina Dyachenko
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heftigen Schmerzen. »… einer von denen, die … der für dich zuständige Inquisitor. Der steckt seine ungewaschenen Finger in dich hinein …«
    »Haben die dich schon registriert?«, frage Ywha leise.
    Das Mädchen grinste. Sie hatte ihre Selbstbeherrschung zurückgewonnen – die sie eigentlich nie verloren hatte. Sie hatte sich lediglich ein paar Gefühle gestattet, um Ywha …
    »Geh weg, ja?«, flüsterte Ywha. »Bitte.«
    Das Mädchen schwieg. Sie reckte sich vor, holte ein Sandwich aus ihrem Wagen und biss hinein, woraufhin ein grünes Blatt Petersilie an ihrer Unterlippe hängen blieb.
    »Ich frage mich, wie lange du glaubst …« Das Blatt verschwand, von einer langen Zunge geangelt. »… so sturköpfig durch diese Scheiße waten zu können.«
    Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, ging sie die Straße hinunter. Der Saum ihres kurzen braunen Kleides flatterte und verschwand immer wieder unter der ausgelassenen, sackartigen grauen Jacke.
     
    Am Abend hefteten sich zwei schräge Typen mit trüben Augen an Ywhas Fersen.
    Gerade ging sie die Straße hinunter, die sich rasch leerte, als sie im Rücken ihre aufdringlichen, gemeinen Blicke spürte. Um ihnen zu entkommen, schlüpfte sie in ein grell leuchtendes Geschäft. Doch dort, zwischen den hohen Regalen und den lässig umherschlendernden Kunden, fanden die beiden Kerle sie schon wieder und bauten sich ohne viel Federlesens am Eingang auf, wo sie amüsiert den Ständer mit den nicht gerade jugendfreien Zeitschriften inspizierten. Abwechselnd taxierten sie Ywha immer mal wieder mit einem Blick, als verglichen sie ihre Vorzüge mit dem nackten Fleisch auf den Hochglanzcovern. Nachdem Ywha erst zu kochen begann, packte sie schließlich eine eiskalte Wut.
    Mit zusammengebissenen Zähnen stapfte sie an den beiden vorbei in Richtung Ausgang. Die Männer verströmten einen Geruch, einen ganz leichten nur, einen süßlichen und widerwärtigen Geruch. Ywha fragte sich nicht einmal, ob es wirklich Tabak war, was die beiden rauchten. Die seltsamen trüben Augen ihrer Verfolger machten ihr momentan nicht das Geringste aus. Sollten die sich ruhig mit ihrem Kraut vergnügen …
    »Hey, Füchslein!«
    Unwillkürlich fuhr Ywha zusammen. So hatte Nasar sie manchmal genannt. Jetzt war der Kosename für immer durch einen fremden, stinkenden Mund in den Dreck gezogen.
    Sie beschleunigte den Schritt.
    »Füchslein, renn doch nicht so! Willst du einen Kognak?«
    »Haut ab!«, zischte Ywha. Ihr Herz hämmerte wie wild, in ihrem Mund breitete sich ein galliger Geschmack aus: vor Angst. Den kannte sie nur zu gut.
    Eine gewaltige Pranke riss sie schmerzhaft an der Schulter zurück. »Dass sich heutzutage aber auch jedes Weibsbild für was Besseres hält!«
    Ywha wurde schwarz vor Augen.
    Schande, Erniedrigung und Flucht – das machte jetzt ihre Tage und Nächte aus. Gegenüber der Inquisition war sie machtlos und vor den Tschugeistern hatte sie panische Angst. Aber warum um alles in der Welt musste sie sich auch noch mit diesem Pack herumschlagen?
    An das, was danach geschah, erinnerte sie sich kaum noch. Die Nacht zwinkerte ihr mit dem trüben Licht einer Flasche zu, die unter einer Bank lag und deren Hals sich ihr ganz von selbst in die Hand legte. Scherben flogen hoch durch die Luft.
    »Haut ab!« Sie wollte noch etwas hinzufügen, diesen beiden Typen ein würdiges Etikett verpassen, doch daran scheiterte sie. Selbst der dreckigste Ausdruck erschien ihr noch harmlos und fad, weshalb sie einfach auf die beiden Kerle zuging, fest entschlossen, ihnen den Bauch aufzuschlitzen.
    »Hau du doch ab, du glubschäugige Hexe!«
    Je weiter sie zurückwichen, desto leiser wurde ihr Gezeter. Das Wort »Hexe« galt nicht ihrem Wesen, sondern war lediglich ein weiteres Glied in der Kette der Beschimpfungen. Die wenigen Fußgänger, die die Szene aus sicherem Abstand verfolgten, machten, dass sie weiterkamen. Von weit her vernahm Ywha den Pfiff eines Polizisten. Sie blickte auf die zerschlagene Flasche in ihrer Hand. Der glatte Hals fletschte seine schiefen Zähne. Ywha suchte nach einem Mülleimer. Aus unerfindlichen Gründen erschien es ihr besonders wichtig, die Flasche nicht einfach auf die Straße zu schmeißen. Zum Glück entdeckte sie in der Nähe eine Tonne. Sie hob den Metalldeckel an, und der halb leere Eimer nahm Ywhas Geschenk bereitwillig auf.
    »Wie lange glaubst du eigentlich noch, so sturköpfig durch diese Scheiße waten zu können?«
    Über ihre Finger rannen schwarze

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