Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Jesus Video

Das Jesus Video

Titel: Das Jesus Video Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
Vom Netzwerk:
still, daß man hätte meinen können, er sei der letzte Mensch auf Erden.
    Und er fror.
    Abgesehen davon fühlte er sich gut. Sein ganzer Körper klebte von getrocknetem Schweiß, hinter seiner Stirn war ein elendes trockenes Bohren und Ziehen, und ihm war zum Sterben schwach zumute, als er sich an der emaillierten Schüssel hochzog und dabei mit schwarzen Punkten vor den Augen zu kämpfen hatte, aber er fühlte sich trotz allem befreit.
    Er hatte sich irgendwann am Nachmittag noch ins Museum geschleppt, hatte sein Auto stehenlassen, weil er sich zu elend gefühlt hatte, um sich damit in den Jerusalemer Verkehr zu wagen, und die ganze Fahrt in dem schwankenden Bus über hatte er sich ausgemalt, welche Vorhaltungen er sich würde anhören müssen, daß er am ersten Arbeitstag nach dem Sabbat kam, wenn alle anderen gerade gingen. Zu seiner Überraschung aber hatte Ephraim Latsky, der Chef der Restauration, ihm zur Begrüßung die Hand auf die Schulter gelegt und salbungsvoll erklärt:»Mitarbeiter wie Sie brauchte ich mehr, Menez! Sie denken wenigstens mit. Die anderen mußte ich alle heimschicken — aber Sie, Sie kommen erst abends. Großartig, Menez.«
    Yehoshuah starrte den dicklichen Mann an, dann dessen fleischige Hand auf seiner Schulter, die dichten Haarbüschel auf dem Handrücken, und wußte nicht, was er sagen sollte.»Ahm…«, machte er und dann:»Na ja, ich… ähm…«
    »Dieser WilfordSmith«, dröhnte Latsky weiter,»und sein amerikanischer Sponsor haben den ganzen Restaurationstrakt mit Beschlag belegt. Hätte man sich ja denken können, nicht wahr? War die Hölle los den ganzen Tag, wirklich, die Hölle.«
    In dem Augenblick, als Latsky seine Hand wieder an sich genommen hatte und um die Ecke verschwunden war, die zu den Büros führte, hatte der Zusammenbruch begonnen. Von Krämpfen geschüttelt, hatte er die Toilette gerade noch rechtzeitig erreicht, und dann hatte er sich erbrochen, wieder und wieder, schier endlos war es aus ihm herausgekommen. Er erinnerte sich nur noch undeutlich daran, wie an eine halb bewußtlose Zeit, Minuten vielleicht oder Stunden in einem dunklen Tunnel. Er erinnerte sich daran, sich gefragt zu haben, wo das alles herkam, was er da hervorwürgte, und an das Gefühl, Fetzen seiner Eingeweide auszuspucken.
    Doch nun war es vorbei. Er kam irgendwie auf die Beine, mußte sich an der Wand festhalten, als er die Toilette verließ, und am Geländer, als er die Treppen hochwankte. Er begegnete dem Nachtwächter auf dessen erster Runde nach der Schließung, und der alte, grauhaarige Mann mit dem großen Schlüsselbund starrte ihn an wie ein Gespenst, ehe er dann doch nichts anderes zu sagen wußte als das, was er immer sagte, wenn sie sich abends begegneten:»Guten Abend, Doktor Menez.«Er nickte ihm nur zu, weil er keine Kraft hatte für ein Gespräch, erreichte endlich das Assistentenzimmer im ersten Stock, schaltete das Licht nicht ein, ließ sich nur auf die ausgeleierte Couch sinken, auf der es ringsum nach Zigarettenrauch stank und nach abgestandenem Kaffee und modernden Bananenschalen und Staub und Schimmel, glitt zur Seite und landete mit dem Kopf auf irgend etwas Weichem, einem Kissen, bekam ein anderes zu greifen und legte es sich auf den Bauch und fiel in einen tiefen, traumlosen Schlaf.
    Sie parkten etwa um dieselbe Uhrzeit und an ungefähr derselben Stelle wie in den Nächten davor. Der Parkplatz lag leer und verlassen wie immer, das achteckige, turmartige Hauptgebäude des Rockefeller-Museums war ein dunkler Schattenriß vor dem Nachthimmel der Heiligen Stadt.
    »Vielleicht rennen wir jetzt mitten in unser Verderben«, meinte Judith, als sie ausstiegen und die Türen des Wagens so leise wie möglich schlössen.
    »Vielleicht«, meinte Stephen.
    Sie folgten dem Weg durch das Gebüsch, die Platten entlang bis zu der etwas tiefer liegenden Tür. Stephen holte zwei eigenartig geformte schwarze Metallhaken aus einem versteckten Fach seines Gürtels. Während er sich damit am Türschloß zu schaffen machte, leuchtete Judith ihm mit der kleinen Taschenlampe, die sie vorhin an einer Tankstelle gekauft hatten.
    »Und du hast dein Geld wirklich durch ehrliche Arbeit erworben?«fragte sie nach einer Weile.
    Er nickte nur. Für ein lockeres Gespräch nebenbei mußte er sich zu sehr konzentrieren.
    Zum Glück hatte er kein allzu modernes Schloß vor sich, andernfalls hätten sie unverrichteter Dinge wieder abziehen müssen. Aber auch so war es schwieriger, als er es in

Weitere Kostenlose Bücher