Das Jesus Video
WilfordSmith. Jetzt fiel ihm alles wieder ein. Die Wüste. Die Hitze. Judiths Zusammenbruch. Judith!
Er drehte den Kopf zur Seite, was scheußlich weh tat, suchte nach ihr. Ja, da neben ihm lag sie, auch auf einer zusammengeklappten Liege, auch am Tropf, und schlief. Jemand hatte ihr Gesicht gewaschen.
Er erinnerte sich. Man hatte ihnen zu trinken gegeben, eine salzige Flüssigkeit, die leicht nach Orangen geschmeckt hatte. Viel davon, er hatte bestimmt einen ganzen Eimer voll getrunken. Hatte gewürgt, aber nichts erbrechen können, und noch mehr getrunken. Dann wußte er nichts mehr.
»Wo sind wir?«
Der Professor hob den Kopf und sah sich um, als frage er sich das auch schon die ganze Zeit.»Das ist ein Übertragungswagen«, sagte er.
»Und was geschieht hier mit uns?«Er blickte zu dem Infusionsbeutel hin.
Der alte Wissenschaftler lächelte traurig.»Das ist nur eine Kochsalzlösung. Flüssigkeit eben. Sie beide waren stark dehydriert, als wir Sie fanden.«
»Dehydriert?«
»Es hat nicht mehr viel gefehlt.«
Stephen Foxx schloß die Augen. Jetzt, da die Erinnerung zurückkehrte, verspürte er zu seiner eigenen Verwunderung so etwas wie Scham. Es war hochmütig gewesen, ohne jede Ausrüstung, ohne Vorbereitung durch die Wüste zu marschieren. Leichtfertig das Leben aufs Spiel zu setzen, für ein Wettrennen, um etwas zu beweisen, um zu gewinnen. Es war falsch gewesen, Judith da mit hineinzuziehen.
»Wie haben Sie uns überhaupt gefunden?«
»Das war nicht leicht. Sie waren nicht dort, wo man Sie gesucht hat. Kaun hat schließlich kurzerhand Beobachtungszeit auf russischen Spionagesatelliten gekauft, und die haben Sie ausfindig gemacht.«
»Was? Die Russen?«
»Ja.«
Stephen versuchte sich vorzustellen, was geschehen war.»Wir sind zuerst nach Süden, und dann immer nach Westen. Wir wollten zu der Straße entlang der Grenze zum Sinai.«
Der Archäologe hob die Augenbrauen.»Wie ich Kaun kenne, wird er es sich nicht nehmen lassen, Ihnen die Bilder zu zeigen. Man erkennt Sie beide gut, selbst aus dem Weltraum. Und Sie werden sich wundern, wo Sie überall gewesen sind.«
»Ah.«Auch das noch. Sie hatten sich verlaufen. Aber wieso? Sie waren doch immer auf die Berge zumarschiert…?
»Was ist mit der Kamera?«
Professor WilfordSmith wandte den Blick auf einen Punkt, der über Stephens Kopfende lag. Stephen verdrehte den Hals. Dort war eine Trennwand mit einer schmalen, verschließbaren Durchgangstür und einem großen Glasfenster, hinter dem ein schwarzer Vorhang zugezogen war.
»Kaun ist da drin. Schon ziemlich lange. Er hat sich ein paar Batteriepacks geben lassen und sich dann damit eingeschlossen.«
Mit einem unwillkürlichen, klagenden Laut sank Stephen zurück. Verloren! Er hatte das Rennen verloren, verdammt noch mal. Vor Enttäuschung traten ihm Tränen in die Augenwinkel. Es war so ungerecht, so verdammt ungerecht. Er hatte sich angestrengt, hatte gekämpft, hatte all seinen Mut und seine Entschlossenheit in die Waagschale geworfen — und Kaun mit seinen Millionen hatte einfach nur die Intelligenz, das Knowhow und die technischen Einrichtungen der Russen, die auf jeden Cent angewiesen waren, zu kaufen brauchen, um zur richtigen Zeit an der richtigen Stelle sein und ernten zu können, was er nicht gesät hatte. Es war ein Kampf von David gegen Goliath gewesen, und diesmal hatte Goliath gesiegt. Goliath siegte immer, so war das. Die frommen alten Geschichten, die etwas anderes erzählten, waren einfach nur das — fromme alte Geschichten.
Er schloß die Augen, und im nächsten Augenblick tauchte das Gesicht von Bruder Gregor auf. Das hatte so gut geklungen — die Stunde der Bewährung. Die alte Prophezeiung von den Mächten des Lichts und den Mächten der Dunkelheit, die um den Besitz des Heiligtums streiten. Auch wenn er innerlich gelächelt hatte bei den Worten des Mönchs — etwas in ihm hatte diesen Worten geglaubt, hatte sich stark gefühlt dadurch, hatte Gott an seiner Seite gewähnt.
Und nun? Hatte er versagt? Es kam darauf an, was Kaun mit dem Video vorhatte. Sicher würde er es, in der einen oder anderen Form und sicherlich so, daß er dabei maximalen Profit abschöpfen konnte, auf seinen Fernsehkanälen zeigen. Die ganze Welt würde es sehen. Und mehr war es nicht, was er dem Abt versprochen hatte.
Und er würde es schließlich auch sehen. Es würde ein schaler Geschmack dabei sein, und wahrscheinlich würde er sich noch einige Zeit gedulden müssen und dann längst zu Hause
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