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Das Jesus Video

Das Jesus Video

Titel: Das Jesus Video Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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nahm ihm den Revolver ab. So, wie er ihn anfaßte und hielt, war das nicht das erste Mal in seinem Leben, daß er eine Waffe führte. Er gab seinem Begleiter einen Wink mit den Augen. Der Priester ging in die Knie und zog eine kleine Schaufel hervor, mit der er eilig die Trümmer der Kamera zusammenschob und alles in einen Plastikbeutel beförderte, den er aus einer anderen Falte seines dunklen Gewandes zog.»Sie haben Angst vor Ihm!«keuchte Kaun fassungslos.»Sie fürchten sich vor dem, den zu verehren Sie behaupten!«Scarfaro sah aus funkelnden Augen auf ihn herab.»Machen wir uns doch nichts vor«, sagte er schließlich.»Der echte Jesus wäre auch heute wieder ein Störenfried, Bedrohung der öffentlichen Ordnung, Staatsfeind Nummer eins.«Die Augen wurden zu schmalen Schlitzen.»Nur wären heute wir es, die ihm den Prozeß machen müßten.«

38
    Die dargebotenen Hypothesen und Schlußfolgerungen mögen unglaubwürdig klingen; sie sind alles, was wir anbieten können. Ob das, was geleistet wurde, letztendlich von wissenschaftlichem Wert war, wagen wir nicht zu beurteilen. Vielleicht würde dieses abschließende Urteil weniger entmutigt ausfallen, wären nicht die wichtigsten Fundstücke — das Skelett und die Anleitung — unter ungeklärt gebliebenen Umständen aus dem Restaurationslabor des Rockefeller-Museums gestohlen worden. So sind die hier abgedruckten Bilder und die hinterlegten Videoaufzeichnungen der ersten Examination alles, was uns von diesem Jahrhundertfund geblieben ist.
    Professor WilfordSmith Bericht über die Ausgrabungen bei Bet Hamesh NIEMALS WÜRDE ER diesen Morgen vergessen, niemals diesen Zettel, dieses unscheinbare Stück Papier, das er zusammengefaltet und versiegelt aus den Händen des Vorstehers der päpstlichen Nachrichtenzentrale in Empfang genommen hatte, um es dann eilig und eifrig durch die hohen Hallen, die langen Gänge und über die weiten Treppen zu tragen, ohne eine Minute zu säumen, genauso, wie man es ihm aufgetragen hatte, um die Nachricht direkt dem Heiligen Vater selbst zu überbringen. Niemals würde er die Ehrfurcht vergessen, die ihn erschauern ließ, als er, ein einfacher, junger Mönch, die Schwelle zu den Privatgemächern des Papstes überschritt. Der Heilige Vater saß in einem Eehnstuhl, dicht am Fenster, und betete. Oder schlief, so genau konnte man das nicht sagen. Er blieb in geziemendem Abstand stehen und wußte nicht, was er nun tun sollte. Ohne eine Minute zu säumen, hatte es geheißen. Nun, er hatte keine Minute gesäumt, war beinahe außer Atem. Aber er konnte doch nicht die Kontemplation des Papstes stören!
    Er atmete auf, als der Heilige Vater ihn aus seinem Konflikt erlöste, indem er die Augen öffnete, seine Gegenwart bemerkte und ihm mit einem warmen Lächeln bedeutete, näherzutreten.»Was hast du für mich, mein Sohn?«flüsterte er.
    »Eine dringende Nachricht aus Israel, Euer Heiligkeit.«
    Er reichte ihm den Zettel mit der Botschaft. Stand dann wieder abwartend, während der Papst mit schwerfälligen Fingern das Siegel entfernte und das Papier auffaltete. Sah zu, wie er las, was darauf geschrieben stand.
    Es war, als beobachte er den Zerfall des Mannes, der an der Spitze der Kirche stand. Was immer der Inhalt der Botschaft sein mochte, es schien alle Lebenskraft aus seinem Körper zu saugen. Das Gesicht des Heiligen Vaters wurde grau und fahl, als griffe der Tod in diesem Augenblick nach ihm. Seine Hand umkrampfte das Papier, zerdrückte es, sank schlaff herab damit in seinen Schoß, während der Blick seiner Augen durch das nahe Fenster den Himmel suchte.
    »Das habe ich nicht gewollt«, hörte der junge, entsetzte Mönch den alten, entsetzten Papst flüstern.»Das habe ich dich nicht geheißen, Baptist, das nicht…«
    Sein Leben lang sollte der junge Mönch sich fragen, was diese Worte zu bedeuten hatten.
    Er stand in seinem Büro, das endlich wieder das seine war, und verfolgte den Aufbruch von Scarfaro und seinen glattgesichtigen Begleitern durch das offenstehende Fenster. Um nichts in der Welt hätte er es fertiggebracht, hinaus auf den Hof zu gehen, um sie auch noch zu verabschieden. Als sie gestern spätabends zurückgekommen waren, hatten sie alle unruhig gewirkt, aufgewühlt, von etwas unsagbar Bösem, Kaltem, Finsterem umwölkt. So, als hätten sie gerade ein unaussprechliches Verbrechen begangen.
    Jedenfalls aber waren sie, was immer sie getan hatten, fertig mit ihrer Mission. Und sie hatten es mit einem Mal sehr eilig. Scarfaro

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