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Das Jesusfragment

Das Jesusfragment

Titel: Das Jesusfragment Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henri Loevenbruck
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Botschaft Jesu? War nicht Jesus ein Eingeweihter, einer, der genau dieses Wissen vermittelt bekommen hatte?
    »Ich könnte Ihnen eine stundenlange symbolische Analyse erstellen«, fuhr Jacqueline fort und zeigte auf den Kupferstich, »aber am interessantesten ist die Verbindung zwischen da Vinci und Dürer. Denn hier ist ein echtes Geheimnis verborgen.«
    Jacqueline machte ihre Zigarette in dem Aschenbecher auf dem Sofa aus und wandte sich an uns.
    »Man weiß nicht, ob sie sich kennen gelernt haben«, erklärte sie. »Dürer wurde oft der Leonardo des Nordens genannt, da sein Werk so stark von da Vinci inspiriert worden war, der ihn ungeheuer faszinierte. Er hat dessen Sechs Knoten aus der Accademia kopiert und bestimmte Untersuchungen da Vincis über die Natur und die menschlichen Proportionen fortgeführt. Man weiß auch, dass er sich für da Vincis Zirkel interessierte, mit dem man ovale Formen zeichnen konnte, ganz zu schweigen von dem berühmten Prospektographen, den Dürer auf vier Kupferstichen darstellt und der im Original von da Vinci gezeichnet wurde. Sehen Sie, auch das Polyeder auf der Melancolia ist eine Hommage an Leonardo!«
    »Das sind wirklich eine Menge Hinweise.«
    »Es gibt ein Gemälde aus der Mitte des 16. Jahrhundert, das etwa dreißig Jahre nach ihrem Tod entstand, und darauf ist Leonardo zwischen Tizian und Dürer dargestellt.«
    »Soll das bedeuten, dass sie sich tatsächlich begegnet sind?«, erkundigte sich Sophie.
    »Man weiß es nicht genau, aber es ist wahrscheinlich. Das Bild wird dem Atelier von Agnolo Bronzino zugeschrieben. Man weiß nicht, ob es sich lediglich um ein Gemälde handelt, um diese drei berühmten Personen zu ehren oder ob es eine Szene zeigt, die sich tatsächlich abgespielt hat. Auf diesem Bild wendet sich Leonardo da Vinci Dürer zu und spricht mit ihm. Dabei kehrt er Tizian den Rücken zu. Man könnte meinen, dieser sei ihm völlig gleichgültig und er interessiere sich nur für Dürer. Das Bild zeigt, wie er eine etwas merkwürdige Handbewegung vollführt, als ob er dem deutschen Maler etwas erklären würde.«
    »Interessant.«
    »Auf jeden Fall«, fuhr sie fort, »wissen wir, dass Dürer nach Italien gereist ist, und in einem seiner Briefe scheint er mehr oder weniger auf da Vinci anzuspielen. Warten Sie, ich werde das prüfen.«
    Jacqueline stand auf und verschwand im Nebenzimmer. Ich warf Sophie einen besorgten Blick zu.
    »Glauben Sie, dass sie in diesem Chaos etwas finden wird?«, flüsterte ich.
    Sophie grinste.
    »Schon. Ich weiß zwar nicht, wie sie es anstellt, aber sie schafft es, sich darin zurechtzufinden.«
    Jacqueline tauchte wenige Augenblicke später mit einem dicken Buch auf, das sie aufgeschlagen in den Händen trug.
    »Es gibt einen Brief vom Oktober 1508. Dürer schreibt darin, dass er vorhat, von Venedig nach Bologna zu reisen. Ich zitiere: … aus Liebe zur Kunst der verborgenen Perspektive, die jemand bereit ist, mir beizubringen.«
    Ihr Blick verriet unbändigen Stolz.
    »Also wenn er hier nicht da Vinci meint«, sagte sie, »bring ich mich um!«
    Ich prustete los.
    »Das wird nicht nötig sein«, beruhigte Sophie sie. »Wir glauben dir! Kurzum, es gibt also definitiv eine Verbindung zwischen Dürer und da Vinci und sogar zwischen Melancolia und da Vinci, nicht wahr?«
    »Das ist eindeutig«, bestätigte Jacqueline, »aber ich muss einen Blick auf Ihr Manuskript und die Mona Lisa werfen.«
    »Ja, aber wir fahren morgen zurück und werden sie dir nicht überlassen können.«
    »Also bleibt mir nur die Nacht.«
    Sophie lächelte sie verlegen an. »Hör zu, wenn du nichts findest, ist es nicht schlimm, du hast uns bereits geholfen.«
    »Ich schau mal, was ich tun kann. Wollen Sie hier schlafen?«, schlug Jacqueline vor.
    »Nein, nein«, wehrte ich ab. »Wir wollen Ihnen nicht zur Last fallen, wir werden uns ein Hotel suchen.«
    »Um diese Zeit? Das wird nicht einfach sein!«
    »Wir wollen deine Gastfreundschaft nicht überstrapazieren, meine Süße«, säuselte Sophie.
    »Aber Ihr stört mich überhaupt nicht, ich werde auf jeden Fall die Nacht damit verbringen, in dem Text zu schmökern.«
    »Gut, einverstanden«, erwiderte Sophie schnell, bevor ich ablehnen konnte.
    Auch wenn Jacqueline es nur gut meinte, war ich nicht gerade erfreut bei dem Gedanken, dass ich bei einer ehemaligen Geliebten von Sophie übernachtete. Aber ich musste mich fügen. In diesem Augenblick läutete mein Handy. Ich zögerte, bevor ich es aus der Tasche holte und

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