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Das Jesusfragment

Das Jesusfragment

Titel: Das Jesusfragment Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henri Loevenbruck
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schaute Badji fragend an, als müsste er mir erst eine Genehmigung erteilen. Er zuckte mit den Schultern. Ich zog also das Handy aus der Tasche und drückte auf die Rufannahme. Am Apparat war der Priester aus Gordes.
    Er hielt sich gerade in Paris auf und wirkte spürbar gehetzt und äußerst beunruhigt. Ich hatte keine Gelegenheit, etwas zu sagen, sondern hörte zu, als er mir erklärte, wo er mich treffen wollte.
    »Kommen Sie morgen um dreizehn Uhr in die Kirche von Montesson, das ist ein westlicher Vorort.«
    »Warten Sie, ich … ich bin im Augenblick nicht in Paris. Ich weiß nicht, ob ich bis dahin zurück sein kann.«
    Ich wandte mich zu Sophie um. Sie wühlte in ihrem Rucksack und warf einen Blick auf die Fahrkarten. Die Ankunft in Paris war für 14:17 Uhr vorgesehen.
    »Es wird leider nicht möglich sein«, erklärte ich dem Priester. »Sagen wir lieber sechzehn Uhr.«
    »In Ordnung. Also sechzehn Uhr in der Kirche von Montesson. Der Pfarrer ist ein Freund von mir, der die Kirche schließen wird, damit wir uns in Ruhe unterhalten können. Bis morgen.«
    Er legte sofort auf.
    Ich schaltete mein Telefon aus und steckte es wieder in die Tasche. Sophie blickte mich fragend an.
    »Es war der Priester aus Gordes. Er hat sich für morgen mit mir verabredet.«
    Ich wollte vor Jacqueline nicht mehr sagen. Sophie nickte.
    »Gut«, sagte Jacqueline und erhob sich, »wir werden jetzt etwas beim Chinesen bestellen. Ist Ihnen das recht? Um diese Zeit hat man keine große Wahl mehr. Aber zuerst zeige ich Ihnen die Zimmer. Ich habe nur zwei anzubieten, Sie werden sie sich teilen müssen.«
    »Ich kann mir ein Zimmer mit Damien teilen«, erwiderte Sophie, als ob es das Natürlichste der Welt wäre.
    Ich war so erstaunt, dass ich beinahe abgelehnt hätte. Jacqueline hob die Augenbrauen und schien sich zu amüsieren.
    »Also los, ich zeige Ihnen jetzt Ihre Zimmer.«
    *
    Gegen ein Uhr, nachdem wir gegessen und uns unterhalten hatten, fanden wir, dass es höchste Zeit war, schlafen zu gehen. Wir hatten einen sehr harten Tag hinter uns und der nächste würde uns bestimmt weitere Überraschungen bereiten. Jacqueline erklärte, sie werde am Manuskript und an der Mona Lisa arbeiten, und wir sollten uns wie zu Hause fühlen. Wenige Minuten später stand ich Sophie in einem winzigen Zimmer gegenüber, in dem es lauter Bücherstapel und eine Doppelmatratze auf dem Fußboden gab.
    »Hm, sind Sie sicher, dass wir hier zusammen übernachten wollen?«, bemerkte ich ziemlich einfältig.
    »Oh, mein armer Damien, ich werde Sie nicht zwingen, mit Ihrem Schutzengel zu schlafen.«
    »Immerhin ist er sympathisch«, konterte ich.
    »Wenn Sie darauf bestehen.«
    Ich zuckte etwas geniert die Achseln und trat ans Fenster, um die Vorhänge zuzuziehen. Sophie hatte sich nicht gerührt. Sie stand lächelnd vor mir und blickte mich an. Mein Herz klopfte zum Zerspringen. Im Spiel der Schatten und der orangefarbenen Lichtkreise war sie wunderschön. Ich war sicher, dass ich mich nicht bewegte und doch schienen sich unsere Gesichter einander zu nähern. Langsam. Ich hörte ihren gleichmäßigen Atem. Sie lächelte nicht mehr, sondern schaute mir ganz gelassen in die Augen. Dann spürte ich eine Hand an meiner Hüfte. Für einen flüchtigen Augenblick. Ihr Mund war so nah. Ihr Blick versank in meinen. Sie tat noch einen Schritt, dann umarmte sie mich und küsste mich leidenschaftlich. Ich ließ es geschehen.
    Eine Ewigkeit schien sie mich im Arm zu halten, fest an sich gedrückt. Dann, ganz behutsam, löste sie ihr Gesicht von meinem. Ich hatte das Gefühl zu schweben. Längst vergessene Gefühle neu zu erleben. Sie trat einen Schritt zurück, nahm meine Hand und zog mich hinter sich her auf die Matratze. Ich beschloss, mich führen zu lassen. Einfach so. Und den Augenblick so auszukosten, wie Sophie ihr Leben auskostete. Meinem Verlangen nachzugeben.
    Im schwachen Licht, das unter der Eingangstür durchfiel, liebten wir uns schweigend wie zwei Teenager, die Angst hatten, ertappt zu werden, bis unsere Körper ermattet waren und sich erneut in friedlichem Schlaf vereinten.

Zehn
    J acqueline begleitet uns.«
    »Wie bitte?«
    »Ich fahre mit Ihnen nach Paris.«
    Jacqueline war dabei, ihre Reisetasche zu packen. Sophie stand hinter ihr, schaute mich an und zuckte die Schultern.
    Ich war plötzlich aus dem Schlaf hochgeschreckt, und auf der alten Matratze unseres kleinen Zimmers fiel es mir im ersten Moment schwer, mich zu erinnern, wo ich mich befand und

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