Das Jesusfragment
ja gesagt, dass wir mitten in einer Verschwörungsgeschichte stecken«, rief ich aus.
Sophie runzelte die Stirn und wandte sich wieder ihrer Tastatur zu.
»Und die beiden anderen Organisationen, die Sie erwähnt haben?«
»Die Trilatérale , die man in Frankreich besser kennt, weil Raymond Barre zugegeben hat, in den achtziger Jahren offiziell daran teilgenommen zu haben, und der Council on Foreign Relation oder CFR. Haben Sie davon gehört?«
»Ja, von der Trilatérale , aber nur flüchtig.«
»Also wenn Sie die drei – CFR, Trilatérale und Bilderberg – zusammennehmen, erhalten Sie die Elite der Finanzleute, Universitätsprofessoren, Politiker und anderer ultraliberaler Geister der ganzen Welt. Die meisten sind Mitglieder in allen drei Organisationen, zumindest aber in zweien. Bush, Kissinger, Baron Rothschild, der Chef der IFRI, Raymond Barre und vielleicht sogar Jospin. Und dann sind da Leute wie der ehemalige Generalsekretär der Nato, der Herausgeber des Londoner Observer oder Dulles, der ehemalige Direktor der CIA.«
»Hinreißend. Aber … Jospin? Sind Sie sicher?«
»Ich weiß, dass er an mindestens einer Versammlung teilgenommen hat. Ich glaube, es war 1996. Das ist schwierig, bei denen kann man nie ganz sicher sein. Aber Jospin ist nicht der Interessanteste. Eher Kissinger oder Dulles. Wenn Sie was Brisantes suchen, dann sollten Sie da mal nachsehen.«
»Und wann findet die nächste Versammlung statt?«
»Schwer zu sagen. Die Termine für die Versammlungen bleiben im Allgemeinen sehr lange geheim, um zu vermeiden, dass Journalisten aufmerksam werden. Dieses Jahr organisiere ich einen Online-Wettbewerb. Der Erste, der entdeckt, wann und wo die Bilderberg-Versammlung stattfindet, hat gewonnen! Ich habe eine Menge Leute in der Spur, 1993 hatte ein Hacker sie schon einmal entdeckt! Seither sind sie noch misstrauischer.«
»Aber warum haben sie solche Angst vor den Journalisten?«
»Um ehrlich zu bleiben: manchmal nehmen Journalisten sogar daran teil. Ich erinnere mich, dass William Rees, Berichterstatter der London Times, dabei war und einen Artikel über seine Anwesenheit bei der Bilderberg-Versammlung geschrieben hat. In Frankreich soll auch der Chef von Echos teilgenommen haben. Aber das kommt sehr selten vor. Die offizielle Entschuldigung lautet: Die Anwesenheit von Journalisten könnte die Debatten verfälschen, da die Diskussionsteilnehmer dazu neigen, sich vor Kameras politisch zu korrekt zu verhalten. Die sind doch lustig, oder?«
»Okay. Nur noch eine Frage, Sphinx, woher wissen Sie das alles?«
»Ich interessiere mich sehr für alles, was man uns nicht sagen will. Das ist die Philosophie der Hacker. Also, der echten Hacker. Die Information gehört allen.«
»Das ist auch die Philosophie des investigativen Journalismus. Wir sind dazu geschaffen, uns zu verstehen.«
»Wir werden ja sehen. Halten Sie mich über Ihre Fortschritte auf dem Laufenden. Melden Sie sich wieder auf diesem Server, wenn Sie mehr wissen.«
» Versprochen. Nochmals danke, ich melde mich wieder.«
»Ich verlasse mich darauf.«
Sophie unterbrach die Verbindung und schaltete seufzend meinen Laptop aus. Dann wandte sie sich mir zu.
»Werden Sie schlafen können?«
»Ich weiß nicht. Ich würde gern.«
Sie nickte.
»Das ist … ungeheuerlich, nicht wahr?«, stammelte ich.
»Man muss alles trotzdem überprüfen, aber wenn es stimmt – ja, dann ist es ungeheuerlich!«
»Na ja, versuchen wir, trotzdem zu schlafen«, sagte ich und erhob mich.
Als ich in mein Zimmer zurückkehrte, fühlte ich mich wie in Trance. Ich wusste nicht, ob es an meiner Müdigkeit lag oder an dem, was uns der Hacker gerade enthüllt hatte, aber ich konnte mir nicht vorstellen, dass alles stimmen sollte. Und es fiel mir schwer einzuschlafen.
Vier
A ls mitten beim Frühstück plötzlich mein Telefon läutete, hoffte ich, François Chevaliers Stimme zu vernehmen und flehte zum Himmel, dass es nicht Dave Munsen war. Doch der Morgen hielt eine ganz andere Überraschung für Sophie und mich bereit.
Der Mann am anderen Ende der Leitung hatte einen stark italienischen Akzent und stellte sich als Giuseppe Azzaro vor. Er behauptete, Journalist bei La Stampa zu sein und fragte mich ganz ungeniert, ob ich im Besitz eines ›bestimmten Manuskripts von Albert Dürer über Melancolia‹ sei, das mein Vater ihm seit einigen Tagen schicken wollte!
Ich riss die Augen auf und warf Sophie einen verstörten Blick zu, die mir mit einer Geste zu
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