Das Jesusfragment
zusammen. Der Rauch hüllte ihr Gesicht ein und waberte über den Bildschirm. Ich beobachtete sie heimlich, gleichermaßen amüsiert und beeindruckt, und bemühte mich, ihre Zusammenfassungen zu verstehen.
Sehr schnell hatte sie herausgefunden, dass Acta Fidei eine religiöse Organisation mit Sitz im Vatikan war. Zwar handelte es sich um eine offizielle Organisation, aber sie war auch … speziell. Jedes Mal, wenn wir einen Hinweis auf Acta Fidei fanden, wurde der Begriff mit dem Opus Dei in Verbindung gebracht. Die beiden Gesellschaften hatten tatsächlich viele Gemeinsamkeiten, aber ein Hauptunterschied bestand darin, dass die erste vermutlich weder Öffentlichkeitsarbeit betrieb, noch auf den großen Zulauf aus war, von dem die zweite träumte.
Acta Fidei war folglich eine religiöse Gesellschaft mit Zielen, die nicht ersichtlich waren, und stand mehr oder weniger direkt in der Gunst des Vatikans. Das war wenig, aber immerhin ein Anfang. Wir stellten zu unserer großen Verwunderung fest, dass es beinahe genauso schwierig war, Informationen über Acta Fidei zu finden wie über den Bilderberg. Über beiden Organisationen lag derselbe undurchdringliche Schleier. Und keine hatte einen offiziellen Sitz, was die Suche nicht gerade erleichterte.
»Das ist doch genau Ihr Gebiet«, bemerkte ich. »Die Religion. Es müsste Ihnen doch möglich sein, etwas zu finden.« Sie zuckte die Achseln.
»Ich kenne das Opus Dei, aber ehrlich, ich habe noch nie etwas von Acta Fidei gehört.«
»Dann erklären Sie mir doch einfach, was Sie über Opus Dei wissen, denn ich gebe zu, dass ich keine Ahnung habe.«
»Es handelt sich um eine religiöse Organisation, die zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts gegründet wurde, mittlerweile einen umstrittenen Ruf hat und häufig von politischen Machthabern für die Rolle der streng dogmatischen und extrem rechten christlichen Lobby genutzt wird.«
»Und das bedeutet?«
»Man vermutet, dass sie indirekt das Franco-Regime und die Diktatur von Pinochet unterstützt haben.«
»Ah, wieder so nette Leute!«
»Während des Irangate-Skandals hat man entdeckt, dass Opus Dei sich an der Finanzierung der Contras in Nicaragua beteiligt hatte.«
Ich schämte mich, meine Unwissenheit einzugestehen, aber ich hatte keinen blassen Schimmer, wovon sie sprach. Nach meinem Studium der Literaturwissenschaften hatte ich zweifellos zu viel Zeit mit der Literatur des 19. Jahrhunderts verbracht und zu wenig Zeitung gelesen.
»Hm, was sind denn die Contras?«
»Eine rechtsextremistische Gruppe, die sich in Nicaragua den Sandinisten entgegenstellte. Können Sie sich wirklich nicht an den Irangate-Skandal erinnern?«
»Doch«, erwiderte ich eingeschüchtert, »aber ich dachte, es ging um Waffen, die Reagan an den Iran verkaufte.«
»Ja, das stimmt, und das Geld diente hauptsächlich dazu, die Contras finanziell zu unterstützen. Genau wie viele Vertreter der extremen Rechten und insbesondere das Opus Dei, haben die Amerikaner häufig den Fehler begangen, den Teufel mit dem Beelzebub auszutreiben, indem sie manchmal zwielichtige Gruppen unterstützten. Ähnlich wie mit Bin Laden in Afghanistan.«
»Verstehe.«
»Also, Opus Dei war schon unzählige Male in ziemlich schmutzige Geschäfte verwickelt. Die Organisation hat ein eigenes Steuerwesen, das sich in viele Richtungen ausbreitet und höchst verdächtig ist. Man bezeichnet sie sogar häufig als heilige Mafia. Wenn man bedenkt, dass die Contras ein Netz für den Kokainhandel aufgebaut haben, ist es schon fast amüsant, dass sie von Günstlingen des Vatikans finanziert wurden, nicht wahr?«
»Es wird ja immer besser.«
»Was soll ich Ihnen noch sagen? Ah ja, noch ein wunderbares Beispiel. Das Opus Dei ist eng mit der Vereinigung Human Life International verbunden.«
»Wer sind die?«
»Die Anhänger von pro- life . Wenn ich Ihnen den Titel ihrer Bibel nenne, werden Sie begreifen: ›The abortion Holocaust, Today's final solution ‹. Darin wird Abtreibung mit dem Holocaust verglichen, ebenso die Anhänger von pro- choice mit den Nazis. Reizend, nicht wahr?«
»Ah, pro- life sind diese Abtreibungsgegner, die sich mit Gewalt Zugang zu den Kliniken verschaffen.«
»Genau! Es handelt sich um Personen, die sich nicht scheuen, Homosexuelle in aller Öffentlichkeit als Verbrecher zu bezeichnen, die vom rechten Weg abgekommen sind.«
»Okay, ich verstehe, worum es geht. Sie sind also nicht das, was meine Mutter gute Christen nannte, aber … worin besteht
Weitere Kostenlose Bücher