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Das Jesusfragment

Das Jesusfragment

Titel: Das Jesusfragment Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henri Loevenbruck
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die katholische Lehre. Nicht immer sehr soft. Zum Beispiel hat ihre Erklärung Dominus Iesus vor kurzem für großen Wirbel in der christlichen Welt gesorgt. Kardinal Ratzinger schrieb darin Folgendes: Genauso wie es nur einen einzigen Christus, nur einen einzigen Körper und nur eine einzige Ehefrau gibt, gibt es nur eine einzige katholische und apostolische Kirche.«
    »Und im Klartext?«
    »Eine wenig elegante Art, die übrige Christenheit, der die Kongregation nicht einmal den Status der Kirche zuerkennt, im Regen stehen zu lassen. Man könnte meinen, der Vatikan sei keineswegs so ökumenisch eingestellt wie Johannes Paul II. zu demonstrieren versucht, indem er große medienwirksame Versammlungen veranstaltet.«
    »Und das ist alles, was diese Kongregation tut?«
    »Nein, sie verdammt auch Schriften, die sie für unvereinbar mit der katholischen Lehre hält und manchmal geht sie so weit, die Verfasser zu exkommunizieren.«
    »Sogar heute noch?«
    »Natürlich. Die letzte Exkommunikation, an die ich mich erinnere, erfolgte 1998. Es handelte sich um einen Theologen, einen Jesuiten aus Sri Lanka. Ironie des Schicksals: die ersten Inquisitoren waren Jesuiten.«
    »Ich falle aus allen Wolken«, gestand ich ihr.
    »Sind Sie gläubig?«
    »Wie meinen Sie das?«
    »Ich frage Sie, ob Sie an Gott glauben?«
    Ich zögerte und schnitt eine Grimasse.
    »Ich weiß nicht genau. Meine Eltern waren katholisch, ich wurde katholisch erzogen. Mein Vater ging allerdings nie zur Kirche, aber meine Mutter war tiefgläubig.«
    »Ja, aber Sie?«
    »Ehrlich gesagt, ich weiß es nicht. Irgendwann hatte ich es satt, mit ihr in die Kirche zu gehen. Und dann ist sie gestorben. Ich stelle mir die Frage nicht, das ist einfacher.«
    »Ja, das ist einfacher.«
    »Ich glaube, viele verhalten sich so wie ich. Und Sie, sind Sie gläubig?«
    »Nein«, erwiderte sie ohne zu zögern, »überzeugte Atheistin.«
    »Überzeugt? Ah, heißt das, man kann überzeugt oder nur ein wenig atheistisch sein?«
    »Sagen wir mal so, je mehr ich mich mit der Religion befasse, desto mehr stößt sie mich ab.«
    »Meinen Sie, Gott stößt sie ab oder die Religionen?«
    »Ehrlich gesagt, eher die Religionen.«
    »Für eine Journalistin, die sich auf dieses Gebiet spezialisiert hat, ist es wahrscheinlich so besser. Zumindest müssen Sie sich nicht für eine bestimmte Religion entscheiden.«
    »Ich hasse sie alle.«
    »Hm. So objektiv brauchten Sie nicht unbedingt zu sein.«
    Sie lächelte.
    »Ich hoffe, ich schockiere Sie nicht allzu sehr mit diesen Geschichten über die Kirche«, erklärte sie und musterte mich prüfend.
    »Ach, ich habe in meinem Leben ein oder zwei ungewöhnliche Priester kennen gelernt, aber über die besondere Finanzsituation des Vatikans habe ich mir nie Illusionen gemacht.«
    Sie zuckte die Achseln. Ihr Blick verriet, was sie sagen wollte. Die finanziellen Kungeleien der modernen Kirche waren nichts im Vergleich zu ihrer Macht in der Vergangenheit. Ich erinnerte mich an etwas, das mein Freund Chevalier Jahre zuvor gesagt hatte: »Die Sekten von heute werden die Kirchen von morgen sein. Bald werden sich Scientologen und andere Sekten desselben Schlages einen guten Ruf erkauft haben, und die Menge wird ihre Verbrechen der Vergangenheit vergessen, wie man heute die der großen christlichen Religionen zu vergessen sucht, die einst für sehr viel mehr Tote gesorgt haben.« Darauf hatte seine Frau, die gläubiger war als wir, erwidert, dass die Kirche auch viele Menschen gerettet habe. Aber wie viele hätte man retten müssen, um die Toten zu entschuldigen?
    »Hören Sie«, fuhr sie fort, »im Augenblick können wir nur Folgendes festhalten: Wenn die Mitglieder von Acta Fidei sowohl dem Opus Dei als auch der Glaubenskongregation angehören, dann handelt es sich um extrem motivierte Glaubensaktivisten. Das ist alles.«
    »Also am Ende keine großen Spinner.«
    »Was die Kongregation angeht, handelt es sich keineswegs um Spinner. Und wie ich Ihnen gerade erklärt habe, sind die Mitglieder des Opus Dei erst recht keine Witzbolde«, fügte Sophie gereizt hinzu.
    »Das heißt, Sie sind also im Begriff, mir mitzuteilen, dass es einen Kerl in Rom gibt, der entweder ein Nachfahre der Inquisitoren oder eine Art superheiliger Mafioso ist, und der meine private Telefonnummer besitzt. Zu Hilfe!«
    Sophie hob die Augenbrauen.
    »Das ist wirklich nicht sehr beruhigend. Aber was beweist uns, dass der Typ, der Sie angerufen hat, tatsächlich ein Mitglied von Acta Fidei

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