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Das Jesusfragment

Das Jesusfragment

Titel: Das Jesusfragment Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henri Loevenbruck
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dass es noch nicht zu spät war …
    »Ist das Zimmer leer?«, fragte ich die Empfangsdame, faltete den Brief zusammen und steckte den Umschlag in meine Tasche.
    »Ja, Monsieur. Hier ist die Kreditkarte Ihrer Gattin. Sie hat darauf bestanden, sie als Sicherheit hierzulassen. Aber das wäre wirklich nicht nötig gewesen.«
    Ich nahm lächelnd Sophies Kreditkarte entgegen und freute mich, dass sie sich als meine Frau ausgegeben hatte.
    »Können Sie mir bitte die Rechnung fertig machen?«, bat ich und zückte mein Brieftasche. »Ich zahle sofort.«
    »Natürlich, Monsieur. Und diese beiden Pakete wurden für Sie abgegeben.«
    Schnell beglich ich die Rechnung und nahm die beiden Kleidertüten an mich.
    Vor dem geheimnisvollen Treffen mit Sophie hatte ich noch Zeit, Mittag zu essen, aber eine innere Stimme sagte mir, dass es nicht klug sei, mich weiterhin in dieser Umgebung aufzuhalten. Also nahm ich wieder ein Taxi, um in die Nähe des Elyséepalastes zu fahren.
    Ich ließ das Taxi auf den Champs Élysées halten und aß eilig im Planet Hollywood, nicht weil es mir dort besonders gut gefiel, sondern weil ich um Anonymität bemüht war. Das Restaurant war dunkel und überfüllt, bot also eine gute Möglichkeit, unentdeckt zu bleiben. Ich wirkte wie ein normaler Tourist zwischen den Accessoires und Kostümen, die einst Filmstars gehört hatten. Es gab keine Fenster, nur das künstliche Licht rosafarbener und blauer Neonleuchten, eine grelle Kulisse, in der mich niemand erkennen konnte. Ich schlang ein amerikanisches Menü hinunter, das mir erstaunlich gut schmeckte, und kurz vor vierzehn Uhr ging ich wieder hinaus auf die Champs Elysées.
    Wie zwei Armeen von Ameisen, die einander ignorierten, liefen die Passanten, die zur Place de l'Etoile hinaufgingen an jenen vorbei, die zur Place de la Concorde hinuntergingen. Schon um diese Jahreszeit war hier jede Menge los. Man begegnete hübschen jungen Mädchen mit ihren Begleitern, Japanern mit ihren schweren Nikonkameras um den Hals, Schulschwänzern, Zeitungslesern, Straßenkünstlern, die die Touristen vor den Cafés unterhielten, Wachmännern, die mit verschränkten Armen vor den Häusern berühmter Firmen stehen, Obdachlosen, Polizisten, Köter – ein ganz anderes Paris, aber dennoch Paris.
    Allmählich ersetzten dicht belaubte Baumreihen die Menge der Flaneure, und ich erreichte die Place Clemenceau. Rechts von mir entdeckte ich die imposante Statue von General de Gaulle, wie er mit gestrecktem Oberkörper zu einem entschlossenen Schritt ausholt. Die Statue war noch eine Neuheit, die während meiner Abwesenheit entstanden war. Ich bog links in die Avenue de Marigny ein und spazierte weiter bis zur Rue du Faubourg-Saint-Honoré und vor die gut bewachten Mauern des Präsidentenpalastes. Über dem großen halbrunden Tor wehte die französische Flagge, und eine steinerne Marianne schien mir einen vorwurfsvollen Blick zuzuwerfen.
    Ich glaube nicht, dass ich mich sehr diskret verhielt, als ich wie ein Narr mit meinen riesigen Kleidertüten auf und ab ging. Die Soldaten, die den Elyséepalast bewachten, fanden mich bestimmt ziemlich seltsam. Aber zum Glück musste ich nicht lange warten.
    Einige Minuten später hielt ein grauer New Beetle am gegenüberliegenden Gehweg, und hinter der Scheibe erkannte ich Sophies Gesicht. Sie bedeutete mir, in den Wagen zu steigen. Ich ging über die Straße, warf meine beiden Tüten auf die Rückbank und setzte mich neben sie.
    »Was ist mit Ihrem Audi passiert?«, fragte ich erstaunt und bewunderte zugleich das makellose Wageninnere des VWs.
    »Ich habe es vorgezogen, einen Wagen zu mieten. Wir müssen anonym bleiben.«
    »Ah ja, der New Beetle ist ja auch besonders unauffällig! Sie stehen offensichtlich auf deutsche Autos! Was soll die ganze Geschichte mit dem Hotelwechsel und dem geheimen Treffen?«
    »Sphinx hat mir heute Morgen eine Mail geschickt, um mich zu benachrichtigen, dass sich jemand Zugang zu meinem Laptop verschafft hat«, erklärte mir Sophie und ließ den Motor an. »Er sagte, jemand habe von außen meine Dateien durchsucht. Und dieser Jemand hat es sogar geschafft, meine Internetverbindung zu lokalisieren, die – nach allem, was Sphinx sagt – eigentlich sicher ist. Er konnte mir nicht sagen, ob dieser Angriff mit meinen Recherchen zusammenhängt, aber ich habe mir gedacht, dass wir uns aus dem Staub machen und meinen Laptop nicht mehr benutzen sollten!«
    »Das ist doch Wahnsinn!«
    »Das kann man wohl sagen!«,

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