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Das Jesusfragment

Das Jesusfragment

Titel: Das Jesusfragment Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henri Loevenbruck
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habe«, sagte sie vorsichtig, nachdem sie ein paar Schlucke von ihrem Cosmopolitan getrunken hatte.
    »Nein, Sie haben das gut gemacht. Sie haben Recht. Ich kann mich nicht entspannen. Wissen Sie, manchmal liegt die Tresenpsychologie gar nicht so falsch. Ich glaube, ich muss mir meine Schuldgefühle wirklich abgewöhnen.«
    Und in diesem Augenblick, an diesem seltsamen Nachmittag, im schummerigen Licht dieser luxuriösen Bar, küsste mich Sophie. Auf den Mund. Lange.
    Ich ließ es geschehen. Machtlos. Verblüfft. Entzückt. Dann lehnte sie sich wieder auf ihrem Stuhl zurück, schenkte mir ein strahlendes Lächeln, trank einen Schluck und sagte, mit dem Strohhalm ihres Cosmopolitan zwischen den Zähnen: »Nicht schlecht für eine Lesbe, oder?«
    Dann begann sie schallend zu lachen. Aber es war kein spöttisches Lachen. Es war ein perlendes Lachen. Ich war noch so verblüfft über meine Blödheit, dass ihr Lachen mich zuerst verwirrte.
    Mit einem Zug trank ich meinen Whisky aus, dann begann auch ich schallend zu lachen. Es war, als fiele der unglaubliche Druck, der uns seit Tagen quälte, endlich von uns ab. Als hätten wir eine Sekunde Ruhe im rasenden Strom der Ereignisse.
    Für mich war dieser Kuss völlig unerwartet gekommen.
    Wir schwiegen noch eine Ewigkeit, bis Sophie sich endlich entschloss, etwas zu sagen.
    »Ich habe trotzdem ein bisschen Zeit gehabt, an der Übersetzung weiterzuarbeiten«, verkündete sie.
    »Ausgezeichnet. Und?«, wollte ich wissen und setzte mich mit vorgetäuschter Lässigkeit in meinem Sessel zurecht.
    Im Grunde fiel es mir schwer, an etwas anderes zu denken als an den Kuss, den sie mir gegeben hatte, aber ich musste mich zusammenreißen. Sophie war mit den Füßen auf dem Boden geblieben. Für sie war das Leben so einfach. Sie log nicht. Sie stellte sich diese absurden Fragen nicht, die mich daran hinderten, voranzukommen. Das hatte mir ihr Kuss bewiesen.
    »Im Augenblick kann ich Ihnen nichts Konkretes sagen. Die große Schwierigkeit besteht darin, einen Text zu verstehen, den ich mit Hilfe der Notizen Ihres Vaters übersetze. Ich brauchte zusätzliche Unterlagen, um mir eine eigene Meinung zu bilden.«
    Ich hatte schon lange vergessen, wie ein solcher Kuss schmecken konnte. Ein einfacher Kuss, wie man ihn in Schulzeiten tauschte. Keiner dieser zügellosen Küsse, die ich meinen nächtlichen Gespielinnen gab, die in New York mein Bett mit mir geteilt hatten. Nein, ein echter, ehrlicher Kuss. Ein verliebter Kuss.
    »Und wie weit sind Sie gekommen?«, fragte ich ein wenig zerstreut.
    »Ich bin immer noch am Anfang. Dürer hat Wege aufgezeigt, um die Geschichte des Steins von Iorden zu verfolgen, und Ihr Vater hat seine Suche begonnen, aber nicht zu Ende geführt. Wenn ich es richtig verstanden habe, erklärt Dürer, dass derjenige, dem Jesus diesen geheimnisvollen Gegenstand anvertraut hat – sei es nun Johannes, Jakobus oder Petrus – ihn vor seinem Tod an Mönche in Syrien weitergegeben hat. Ich muss prüfen, ob das plausibel ist und ob es in der Geschichte Hinweise darauf gibt. Ich glaube aber nicht, dass ich das im Hotel erledigen kann. Ich muss zum Arbeiten in eine Bibliothek gehen.«
    »Vielleicht könnte ich Ihnen helfen?«, schlug ich vor.
    »Nein. Sie müssen die Spur des Mikrofilms verfolgen. Diese Geschichte der Essener ist sensationell!«
    »Ich werde nicht in die Nationalbibliothek zurückkehren. Das ist zu gefährlich.«
    »Nein«, räumte sie ein, »aber Sie kennen doch den Namen der Person, die den Mikrofilm hinterlegt hat, also könnten Sie versuchen, mit ihr Kontakt aufzunehmen. Und sich davon überzeugen, ob es sich um einen Irren handelt oder um einen seriösen Menschen.«
    »Okay.«
    »Sie erinnern sich doch noch an den Namen, nicht wahr?«
    »Christian Borella«, bestätigte ich.
    »Gut. Versuchen Sie, ihn zu finden. Inzwischen werde ich in Beaubourg schuften gehen.«
    »In Ordnung, Chef.«
    »Doch zuerst suchen wir uns ein Internetcafé, reden mit Sphinx, und dann können Sie den Autor des Mikrofilms ausfindig machen.«
    »Also los«, willigte ich ein und stellte mein Glas auf den Tisch.
    Sophie musterte mich eindringlich. Ich wusste genau, was dieser Blick besagte. Sie fragte mich, ob alles in Ordnung sei. Sie fragte mich, ob ich ihr den Kuss übel nahm. Ich schenkte ihr ein Lächeln. Ich fühlte mich wohl.
    *
    »Die Typen, die Ihren Rechner geknackt haben, sind Profis, keine kleinen Jungen, die sich einen Spaß daraus machen. Scheint so, als haben sie von den

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