Das Jüngste Gericht: Die Wissenschaft der Scheibenwelt 4 (German Edition)
ausgedehnte, weit zurückliegende Erdarbeiten geformt worden, und der Großteil der Wälder ist im Eisenzeitalter abgeholzt worden, sodass Bauernhöfe das Land nutzen konnten. Die wundervolle Szenerie, die man heute an Orten wie dem Landschloss von Chatsworth findet, »die Natur in all ihrer Pracht« mit einem Fluss, der sich zwischen geschwungenen Hügeln dahinschlängelt, mit ausgewachsenen Bäumen gesprenkelt – das meiste davon wurde von Capability Brown konstruiert. Sogar der Regenwald am Amazonas scheint das Ergebnis der landwirtschaftlichen und architektonischen Tätigkeit früher südamerikanischer Zivilisationen zu sein.
Die Unterschiede zwischen den beiden Benford’schen Weltsichten sind gravierend, aber durchaus zu handhaben, solange sie nicht offen zusammenprallen. Schwierig wird es, wenn beide Weltsichten auf dieselben Dinge angewandt werden. Dann können sie miteinander in Konflikt geraten, und aus intellektuellem Konflikt kann ein politischer werden. Das gespannte Verhältnis zwischen Wissenschaft und Religion ist ein typischer Fall. Es gibt befriedigende Wege, den akuten Konflikt beizulegen, und es gibt viele religiöse Wissenschaftler, obwohl die wenigsten von ihnen die Bibel wörtlich nehmen. Aber die üblichen Denkweisen von Wissenschaft und Religion sind grundverschieden, und selbst ausgesprochene Vertreter eines sozialen Relativismus fühlen sich meist nicht wohl in ihrer Haut, wenn sie zu behaupten versuchen, es gebe überhaupt keinen ernsten Konflikt. Benfords Unterscheidung erklärt das.
Die meisten religiösen Erklärungen der Welt sind menschenbezogen. Sie schreiben der Welt einen Zweck zu, ein menschliches Attribut; sie sehen im Menschen die Krone der Schöpfung; sie betrachten Tiere und Pflanzen als Ressourcen, die zum Wohl der Menschheit auf die Erde gebracht wurden. Um menschliche Intelligenz und Willen zu erklären, führen sie Ideen wie die Seele oder den Geist ein, obwohl keine entsprechenden Organe im menschlichen Körper zu finden sind, und von dort ist es ein kurzer Schritt zum Leben nach dem Tod, dessen Existenz vollständig auf Glauben beruht, nicht auf Beweisen. Es nimmt also nicht wunder, dass in der Geschichte Wissenschaft und Religion immer wieder aneinandergeraten sind. Die Gemäßigten in beiden Lagern haben stets begriffen, dass diese Zusammenstöße in gewissem Sinne unnötig sind. Wenn man aus genügend großem Abstand zurückblickt, ist oft schwer zu verstehen, worum es bei dem ganzen Theater eigentlich ging. Aber als es geschah, konnten diese beiden unterschiedlichen Weltsichten einfach keinen Platz füreinander finden.
Das größte Schlachtfeld in diesem Zusammenhang ist das Leben. Die erstaunliche Welt der lebenden Organismen: das Leben als solches. Und erst recht das menschliche Bewusstsein. Wir sind von Leben umgeben, wir selbst sind bewusste Lebewesen … und wir finden das alles schrecklich mysteriös. Vor dreißigtausend Jahren gab es Menschen, die Tiere und Menschen ziemlich realistisch aus Knochen oder Elfenbein schnitzen konnten, aber selbst heute weiß niemand, wie man einem unbelebten Gegenstand Leben einhaucht. Schon die Vorstellung, Leben sei etwas, das man einem leblosen Gegenstand »einhauchen« kann, hat nicht sonderlich viel Sinn. Lebewesen werden nicht gemacht, indem man mit einer toten Version beginnt und sie zum Leben bringt. Universumbezogene Denker verstehen das, aber menschenbezogene Denker betrachten den Körper – vor allem den Menschenkörper – oft als ein totes Ding, das von einer gesonderten und immateriellen Seele oder einem Geist belebt wird.
Der Beweis ist natürlich, dass wir den entgegengesetzten Vorgang regelmäßig beobachten. Wenn jemand stirbt, scheint das Leben aus seinem Körper zu entweichen und einen Leichnam zurückzulassen. Wohin ist das Leben entschwunden?
Zugegeben, die Wissenschaft versteht nicht gänzlich, was uns unsere Persönlichkeit und unser Bewusstsein verleiht, aber es ist ziemlich klar, dass sich die Persönlichkeit aus der Struktur und dem Funktionieren eines Gehirns in einem Körper ergibt, das sich in Wechselwirkung mit der Außenwelt befindet, insbesondere mit anderen Menschen. Die Person entwickelt sich, indem sich der Mensch entwickelt. Es ist kein übernatürliches Ding , das bei der Zeugung oder Geburt eingegeben wird und über eine Eigenexistenz verfügt. Es ist ein Prozess, der von gewöhnlicher Materie in einem lebenden Menschen ausgeführt wird, und wenn dieser Mensch stirbt, hört der
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