Das Jüngste Gericht: Die Wissenschaft der Scheibenwelt 4 (German Edition)
Frage: Was hält die Schildkröte?
Anscheinend könnten wir endlos so weitermachen, doch an diesem Punkt kommen Naturbeobachtungen ins Spiel. Die natürliche Welt liefert eine lange Liste der Ausnahmen von dem Glauben, der naturgegebene Ort für jeden Gegenstand sei unten am Boden: Himmelskörper, Wolken, Vögel, Insekten und alle Wasserwesen – Fische, Krokodile, Flusspferde, Wale und in Sonderheit Schildkröten.
Wir können die Liste jedoch verkürzen. Vögel und Insekten bleiben nicht ewig in der Luft. Man braucht nur lange genug zu warten, und man sieht sie auf ihrem natürlichen Platz niedergehen, üblicherweise auf einem Baum oder Strauch. Sonne, Mond und Sterne bewohnen die irdischen Gefilde überhaupt nicht, also gibt es keinen Grund, von ihnen ein menschenbezogenes Verhalten zu erwarten – und sie zeigen auch keins. Sie dem Bereich des Übernatürlichen zuzuordnen, ist so verlockend, dass es praktisch unvermeidlich ist. Dasselbe gilt wohl auch für Wolken, die Ehrfurcht gebietende Erscheinungen wie Donner und Blitz hervorzubringen pflegen. Wolken entfallen also. Krokodile und Flusspferde scheiden aus: Sie verbringen viel Zeit an Land. Von Fischen ist derlei nicht bekannt, aber kein vernünftiger Mensch würde versuchen, vier Elefanten auf einem Fisch unterzubringen.
Bleiben also Schildkröten.
Kleine Schildkröten verbringen viel Zeit auf Felsen, aber niemand, der noch alle Sinne beisammen hat, erwartet von einer kleinen Schildkröte, dass sie vier welttragende Elefanten stützt. Große Schildkröten kommen an Land, um ihre Eier abzulegen, doch das ist ein mystisches Ereignis und lässt nicht ernstlich an der Theorie zweifeln, dass der naturgegebene Platz einer Schildkröte das Wasser ist. Wo sie, wohlgemerkt, keine Stütze braucht . Sie kann schwimmen. Man sollte also annehmen, dass jede riesige, den Weltraum durchquerende Schildkröte durch den Raum schwimmen wird, was heißt, dass sie keine künstliche Stütze braucht, um nicht zu fallen. Wenn man sich das Tier genauer betrachtet, scheint eine weltweite Schildkröte die ideale Stütze für riesige Elefanten zu sein. Man kann sich schwerlich etwas Geeigneteres vorstellen.
Kurzum, die Scheibenwelt ist wie gesagt eine vernünftige Art, eine Welt zu erschaffen.
Im Vergleich dazu ist die Rundwelt sinnlos. Sie hat die falsche Form, sie wird von nichts gestützt und schwimmt ohne Hilfe durch den Raum, obwohl sie nicht die richtige Gestalt hat, um durch was auch immer zu schwimmen. Im Grunde ist sie ein riesiger Stein, und wir alle wissen, was Steine tun, wenn man sie in einen See wirft. Es erstaunt also nicht, dass die Zauberer ziemlich lange brauchten, um mit der Art und Weise klarzukommen, wie die Rundwelt sich organisiert. Wir sollten uns also auch nicht wundern, wenn wir feststellen, dass die vorwissenschaftliche Menschheit dasselbe Problem hatte.
Flache Welten, riesige Elefanten, welttragende Schildkröten – wie sind sie in die menschliche Psyche gekommen? Zur Ironie des menschenbezogenen Denkens gehört es, dass es unweigerlich von übermenschlichen Problemen angezogen wird – vom großen Gesamtbild. Wer sind wir? Warum gibt es uns? Woher kommt alles? Und zur Ironie des universumbezogenen Denkens gehört es, dass es sich viel besser zur Beantwortung von Fragen auf der menschlichen Ebene eignet als für jene, die den ganzen Kosmos betreffen.
Wenn man herausfinden will, wie der Regenbogen zu seinen Farben kommt, kann man in einem abgedunkelten Zimmer Licht durch ein Prisma fallen lassen. Das tat Isaac Newton um 1670, obwohl er einige praktische Schwierigkeiten überwinden musste. Die Schlimmste war seine Katze, die immer wieder auf den Dachboden kam, um zu sehen, was Isaac so trieb, wobei sie die Tür aufdrückte und Licht hereinließ. Also sägte der erfinderische Gelehrte ein Loch in die Tür und nagelte ein Stück Filz davor, womit er die Katzenklappe erfand. Als die Mieze Junge bekam, fügte er ein kleines Loch neben dem großen hinzu, was damals wohl logisch erschien.* [* Wie alle wirklich hübschen Geschichten ist diese, von einem »Landpfarrer« erzählt, möglicherweise falsch. Andere Versionen besagen, dass Newton immer wieder von seinen Forschungen abgelenkt wurde, weil er die Katze hinausließ. Selig Brodetskys Buch Sir Isaac Newton und Louis Trenchard Mores Isaac Newton. Eine Biographie stellen beide fest, dass der große Mathematiker weder eine Katze noch einen Hund in seine Kammer ließ. Aber 1827 schrieb J. M. F. Wright, der in
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