Das Jüngste Gericht: Die Wissenschaft der Scheibenwelt 4 (German Edition)
Jack erinnert sich an einen aufgeweckten irischen Studenten, der in einer Prüfung konvergente Evolution als das definierte, »wo die Organe von zwei Nachfahren einander ähnlicher sind, als sie bei dem gemeinsamen Vorfahren waren«.]: Ichthyosaurier und Delfine haben ein Aussehen von Haien und anderen Raubfischen entwickelt, weil diese Form für ein fischähnliches Raubtier die effizienteste ist. Kurzum, Morris glaubt, wenn wir Lebewesen auf einem erdähnlichen Planeten fänden oder die irdische Evolution nochmals ablaufen lassen könnten, entstünde ziemlich genau dasselbe Spektrum von Tierbauplänen. Außerirdische auf einer Welt wie der unseren wären uns sehr ähnlich, selbst wenn sie eine völlig andere Biochemie hätten.
Im Gegensatz dazu glaubte Gould – wie auch wir* [* Siehe Jack Cohen und Ian Stewart: Wie sieht ein Marsianer aus? ] –, dass bei einem solchen neuerlichen Durchlauf das resultierende Spektrum von Lebensformen den gegenwärtigen überhaupt nicht ähnlich wäre. Andere Baupläne, grundlegende andere Körperformen wären ebenso wahrscheinlich wie die derzeit existierenden. Die gegenwärtigen Körperpläne sind nur eine beschränkte, zufällige Sammlung, die zufällig überlebt hat. Außerirdische, sogar die höchstentwickelten, hätten höchstwahrscheinlich einen sehr anderen Bauplan als wir, einerlei, auf welcher Welt sie sich entwickelt hätten. Einschließlich eines zweiten Durchlaufs der unseren.
Die alte Ansicht über die Rolle der Gene bei der Darwin’schen Evolution betonte Mutationen: zufällige Veränderungen in den DNS -Sequenzen. Die Hauptquelle der genetischen Variabilität ist jedoch in Wahrheit – zumindest bei Arten mit geschlechtlicher Fortpflanzung – die Rekombination: Genvarianten der Eltern werden neu gemischt. Für Neuerungen werden keine neuen Mutationen benötigt; es genügen neue Kombinationen existierender Gene. Die Vielfalt der verfügbaren Genvariationen kann zu viel älteren Mutationen zurückverfolgt werden, aber man braucht nicht jetzt eine Mutation, um einen Organismus zu verändern.
Alle Biologen stimmen mittlerweile überein, dass die Körperpläne von Organismen nicht Stück für Stück aufgebaut werden, Mutation nach Mutation, sondern durch Rekombination selektiert worden sind. Anstelle von Mutationen zu neuen genetischen Varianten finden wir Rekombinationen vieler sehr alter Mutationen. Sie werden in jeder Generation aus Vorräten kompatibler Teile aussortiert – nicht aus dem Stegreif zusammengesetzt in der Erwartung, sie mögen funktionieren. Wenn, wie es plausibel erscheint, nur wenige Entwicklungslinien zu Larven führen können, die sich ernähren und zu funktionierenden adulten Individuen heranwachsen können – im Vergleich zu der riesigen Anzahl, die das nicht können –, dann sollte man erwarten, dass die erfolgreichen Baupläne alle voneinander getrennt sind und es keine Zwischenformen gibt, die die Lücke schließen. »Missing links«, »fehlende Verbindungsstücke«, brauchen weder zu fehlen noch Verbindungsstücke zu sein, weil in einem diskontinuierlichen Prozess keine kontinuierliche Variation notwendig ist.
Indem wir die sogenannten R-Spezialisten betrachten, Tiere wie Schollen und Austern, unter deren Larven sich nur wenige entwicklungsmäßig kompetente finden und die Mehrheit das nicht ist, können wir sehen, wie das in heutiger Zeit erreicht wird. Was wir daraus nicht erfahren – und was die Ansichten von Morris und Gould unterscheidet –, ist die Frage, ob die erfolgreichen Baupläne alle in einer Art platonischem Organismen-Raum vorgebildet sind oder ob die Organismen alle ihre eigenen, unvorhersehbaren Baupläne aus der Bewegung erfunden haben. Morris als Christ glaubt das Erstere: Das Erscheinen von Design ist die Offenbarung transzendenter Attraktoren in Gottes Entwurfs-Raum der möglichen Organismen. Wohingegen wir glauben, dass es so viele mögliche Wege gibt, ein erfolgreicher Organismus zu sein, so viele wirksame Entwürfe, dass die Evolution beim Umherirren immer wieder auf welche stößt, obwohl sie dünn gesät sind zwischen der Mehrheit der Versager.
Insbesondere denken wir, dass sich das intelligente Design zu eng auf die Evolution der spezifischen Strukturen konzentriert, die wir heute vorfinden, etwa die exakte molekulare Konfiguration des Hämoglobins oder auf den Bakterienmotor. Im Rückblick erscheinen die Strukturen höchst unwahrscheinlich – wenn die Natur sie sich abermals zum Ziel setzen sollte,
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