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Das Jüngste Gericht: Die Wissenschaft der Scheibenwelt 4 (German Edition)

Das Jüngste Gericht: Die Wissenschaft der Scheibenwelt 4 (German Edition)

Titel: Das Jüngste Gericht: Die Wissenschaft der Scheibenwelt 4 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett , Jack Cohen , Ian Stewart
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Evolutionslinien zu folgen. Als Individuen reagieren wir auf die Kulturen, in denen wir leben, und werden in unsere technische Zukunft geleitet, während diese sich fortschreitend verändert. Soweit es die Kultur betrifft, ist das ein evolutionärer Prozess. Vom menschlichen Blickpunkt aus jedoch sieht solche fortschreitende Veränderung wie die Entwicklung eines komplexeren lebenden Systems aus, wie eine Soziodynamik. Ist Technik ein Krebsgeschwür, durch Mutation hervorgerufen, als sie aus ihrem Jäger-Sammler-Hintergrund ausbrach, um sich zu neuen Formen zu entwickeln? Oder entwickelt sie sich kontrolliert, nutzt neue Organisationsformen in dem Maß, wie sie sie erfindet, folgt dabei jedoch einem anpassungsfähigen, aber stabilen Pfad wie ein sich entwickelnder Embryo? Ein Embryo zerstört im Lauf seiner Entwicklung viele organisierte Strukturen und tötet viele seiner Zellen. Er baut Gerüste auf und wirft sie weg, wenn sie nicht mehr gebraucht werden.
    Aus der Sicht des menschlichen Individuums, gefangen im ständigen Konkurrenzkampf der Technik, ist dieser Stress offensichtlich ein Symptom krankhafter gesellschaftlicher Erscheinungen, wie Alvin Toffler in Der Zukunftsschock ausführte. Wenn man ihn hingegen kulturell betrachtet, ist er eine natürliche Entwicklung. Diese unterschiedlichen Blickpunkte erinnern an die beiden Methoden, einen denkenden Geist zu beschreiben: Nervenzellen und Bewusstsein. Allgemeiner gesagt: Jedes komplexe System kann nicht nur auf mehrere sich nicht überschneidende Arten beschrieben werden, sondern auch auf mehreren Ebenen … als Beton oder als Brücke, als Brückenbauwerk oder als Schwachpunkt für eine feindliche Invasion.
    Die menschliche Evolution findet auf zwei Ebenen statt: Embryo-Entwicklung und kulturelle Entwicklung. Keiner der beiden Prozesse ist präformiert, sodass alle notwendigen Zutaten schon vorhanden wären. Es ist auch keine geradlinige Blaupause: Mach es so . In beiden Fällen treten evolutionäre Veränderungen durch »Komplizität«* [* Komplizität ist ein von J. Cohen und I. Stewart eingeführter Begriff. Wir sind ihm schon in allen früheren Bänden der Gelehrten der Scheibenwelt begegnet. Weiteres siehe in Kapitel 20 im vorliegenden Band. – Anm. d. Übers. ] zwischen mehreren Programmen auf, von denen jedes die Zukunft der anderen beeinflusst. Im Lauf der Zeit wirkt jedes Programm nicht nur durch seine eigene interne Dynamik auf seine Zukunft ein; es verändert seine Zukunft auch durch die Veränderungen, die es in den anderen Programmen bewirkt.
    In welchem Umfang sind jene Veränderungen vorhersagbar oder zufällig? Hier besteht ein Unterschied zwischen zwei modernen Sichtweisen. Die eine vertritt der Paläontologe Simon Conway Morris in Jenseits des Zufalls: Wir Menschen im einsamen Universum ; die andere der kürzlich verstorbene Stephen Jay Gould in Zufall Mensch . Dieser Unterschied ist für die Frage nach einem Design bei der Evolution ausschlaggebend.
    Gould machte viel Aufhebens um die Vielfalt der Tiere, die durch die Fossilien im Burgess-Schiefer vertreten sind. Diese Fossilien, zu Beginn des Kambriums vor etwa 570 Millionen Jahren abgelagert, waren schon früher von Biologen beschrieben worden, doch Morris arbeitete sie nochmals durch und rekonstruierte sie. Er klassifizierte diese Fossilien und ordnete sie in ein breites Spektrum morphologischer Typen ein, sogar in mehr Grundbaupläne des Aufbaus von Tieren (»Stämme«), als zuvor aufgestellt worden waren. Gould benutzte dieses breite Spektrum von Körperbauplänen, wie sie nur wenige Nachkommen unter den heutigen Geschöpfen haben, um zu argumentieren, das Leben könne vermittels der Morphologie fast alles erreichen, sogar in seiner grundlegenden Struktur, und die heute existierenden Organismen seien zufällige Überlebende eines viel breiteren Spektrums, welches zu Beginn des Kambriums existierte.
    Morris jedoch ist zur gegenteiligen Überzeugung gelangt, nämlich: Da manche von den vielen Kategorien sich einander angenähert und ähnliche Wesen hervorgebracht haben, müssen einige spezifische Baupläne Gewinner sein, gleichgültig, wie sie verwirklicht werden. Daher wird sich jedes weite Feld von unterschiedlichen Körperstrukturen unweigerlich so entwickeln, dass es weitgehend dasselbe Spektrum erzeugt, das wir heute beobachten, automatisch ausgewählt, weil das die am besten funktionierenden Körperbaupläne sind. Die Fossilbelege enthalten viele Fälle dieser Art von Konvergenz* [*

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