Das juengste Gericht
ich in den Unterlagen nicht noch ein paar andere Hinweise finde, sind es aus meiner Sicht zwei Dinge, die wir sofort angehen müssen.« Breidel erwiderte Dieners Blick und errötete. Schreiner klopfte ihr auf die Schulter und holte seine Zigarettenschachtel aus der Jeansjacke. »Rauche eine mit, Natascha. Das beruhigt die Nerven.«
Schultz sah, wie Diener lächelte und den Augenkontakt zu der jungen Frau behielt. »Sie können jetzt alle in Ruhe einen Kaffee trinken. Ich gehe zum Ermittlungsrichter und hole einen Beschlagnahmebeschluss für das Konto bei der Deutschen Bank, von dem am Todestag Sunitas 3.000 Euro abgehoben worden sind. Wir müssen wissen, auf wen das Konto lautet. Vielleicht erinnert sich auch jemand, wer am 1. November dort war und das Geld abgehoben hat. Den Beschlagnahmebeschluss für die vielen Geldflüsse auf dem Konto bei der Commerzbank stellen wir noch eine Weile zurück. Wir haben jetzt keine Zeit und nicht genügend Personal, um auch noch dorthin zu gehen. Außerdem ist es nicht so eilig, da diese Bankvorgänge aller Voraussicht nach nichts mit dem Tötungsdelikt zu tun haben. Wenn Sie die Kunden der Pornobilder betreffen, werden wir eine Vielzahl neuer Verfahren einleiten müssen.«
Schreiner zog an seiner Zigarette. »Genau. Sobald Sie den Beschluss in den Händen halten, können die Kollegen Breidel und Pechstein losmarschieren und bei der Bank ermitteln.«
Schultz war aufgestanden und kramte in seiner Schreibtischschublade. Er zog eine Zellophantüte mit Nougatpralinen heraus, öffnete sie, steckte sich eine in den Mund und forderte alle Übrigen auf, sich zu bedienen. »Außerdem muss jemand zum Juwelier Friedrich in der Goethestraße. Wir müssen das Personal des Juweliers befragen, wer den Abholschein entgegengenommen hat. Wichtig ist deshalb, wer ihn ausgestellt hat und worum es bei dem Auftrag gegangen ist.«
»Kollege Schreiner und ich übernehmen das«, sagte Köhler. Mit einem Kopfnicken bedankte sich Schultz. »Wir sollten uns morgen wieder zu einem Austausch der Ermittlungsergebnisse treffen, bevor Krawinckel mit Rechtsanwalt Dr. Schaller zu mir kommt. Gegen 10:00 Uhr wäre gut. Wenn Sie im Laufe des Nachmittags noch etwas Wichtiges erfahren, rufen Sie mich bitte an.« Schreiner und Köhler nahmen den Abholschein an sich. Sie brachen sofort auf.
Schultz kündigte sich telefonisch beim Ermittlungsrichter an. Es dauerte keine halbe Stunde, bis er zurück war. Er betrat sein Dienstzimmer und wedelte mit dem Beschluss. Eine Durchschrift gab er an Breidel und Pechstein. Beide machten sich umgehend auf den Weg.
Nachdem alle Aufträge erteilt waren, nahm sich Schultz das Beschlagnahmeprotokoll vor und betrachtete intensiv die Unterschrift Kellermanns. Irgendwo in den Akten war ihm etwas Wichtiges in Erinnerung, was er mit dieser Unterschrift verknüpfte.
Er verfluchte seine Vergesslichkeit. Es würde ihm nichts anderes übrig bleiben, als heute Abend noch einmal die gesamte Akte durchzuarbeiten.
33. Kapitel
»Soll ich das Kommando übernehmen, Natascha?« Natascha Breidel und Alfons Pechstein hatten den Roßmarkt überquert und den gepflegten Altbau der Deutschen Bank passiert. Sie waren in die Große Gallusstraße eingebogen und standen nun vor dem modernen Pendant des Bankhauses, einem Glaspalast, dessen unzählige Geschosse sich im Dunst des eingetrübten Himmels verloren.
»Das wäre mir lieb, Alfons. Du hast mehr Erfahrung in diesen Dingen als ich. Wie ich diesen Betrieb einschätze, machen sie bestimmt einen Teil ihrer Reaktionen vom Auftreten des Gegenübers abhängig.«
»Wir müssen nicht übertrieben behutsam vorgehen. Schließlich ist die Bank in unserem Falle nicht beschuldigt. Es geht nur um Auskünfte. Aber auch in diesen Fällen tun sich die Großbanken erfahrungsgemäß sehr schwer.«
Pechstein entnahm der riesigen Informationstafel links vom Eingang, wo sich die Büros der Rechtsabteilung befanden. Die Bedeutung ihrer Auskunftswünsche erforderte nach seiner Einschätzung nicht die Inanspruchnahme des Vorstands.
Sie benutzten den Fahrstuhl und suchten in einem der oberen Stockwerke das Justitiariat auf. Einer Sekretärin am Empfang zeigten sie ihre Dienstausweise und nannten ihr Anliegen. Sie bot ihnen einen Platz an und bat um Geduld.
Es dauerte eine geschlagene Viertelstunde, bis sie in eines der Büros gebeten wurden. Ein Mittdreißiger, den sein unvermeidlicher Nadelstreifenanzug noch schmaler erscheinen ließ, als er ohnedies war, setzte sich mit
Weitere Kostenlose Bücher