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Das juengste Gericht

Das juengste Gericht

Titel: Das juengste Gericht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Udo Scheu
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Lebensentscheidungen zu treffen. Wie lange der Vorgang, den Sie ansprechen, zurückliegt, kann ich nicht genau sagen. Das lässt sich allerdings nachholen.« Krawinckel atmete schwer. »Sie müssen wissen, dass ich meine Schwester sehr liebe. Gerade, weil sie so hilflos und so vertrauensvoll ist.« Er machte eine kurze Pause und griff sich mit Daumen und Mittelfinger rechts und links der Nasenwurzel an die Augenansätze, als tupfe er aufkommende Tränen ab. »Es stimmt. Jemand ist gegenüber Lisa-Marie zudringlich geworden. In meinem Ferienhaus im Vogelsberg. Es ist unglaublich. Aber der Täter war ein uralter Schulfreund von mir. Und nicht nur das. Ein Mann, dem ich Zeit seines verpfuschten Lebens die Wege geebnet und mit meinem Geld gepflastert habe.« Krawinckel schloss die Augen und konzentrierte sich. »Ich sagte, dass ich den Zeitpunkt nachtragen kann. Von dem Lump habe ich mir ein schriftliches Geständnis geben lassen. Es trägt ein Datum.« Er hielt einen Augenblick inne. »Ich verdränge viel, Sie verstehen?«
    Schultz nickte. »Ja. Wie geht Ihre Schwester mit diesem schrecklichen Erlebnis um?«
    Krawinckel krallte seine spitzen Fingernägel in die Handballen. Ein verwunderter Ausdruck glitt über sein Gesicht. »Wie soll sie damit fertig werden? Gar nicht! Sie war auch früher schon ein bisschen lebensfremd und hilfsbedürftig, insbesondere in geschäftlichen Angelegenheiten des Lebens. Aber über diesem Ereignis ist sie in eine andere Welt abgerutscht, wo man sie nicht mehr erreichen und ansprechen kann. Mit seltenen Ausnahmen.«
    »Können Sie das näher beschreiben?«
    Die Hand Krawinckels schien einen flatterhaften Bogen in die Luft zu zeichnen. »Wir feierten neulich ihren Geburtstag. Sie verhielt sich wie ein Kleinkind. Auf einmal lachte sie schelmisch auf und erklärte, sie wisse alles. Es schien fast drohend und ernst gemeint. Leider weiß ich die Zusammenhänge nicht mehr so genau. Ich erinnere mich aber, sie am Tag danach unter vier Augen darauf angesprochen zu haben.«
    »Sie gab Ihnen wohl keine zufriedenstellende Erklärung?«
    »Nein. Sie wich nicht einmal aus. Vielmehr war ihr Erinnerungsvermögen vollständig weg. Mit keinem vernünftigen Wort ging sie auf meine Nachfragen ein. Es ist, wie ich vorhin sagte. Sie lebt in einer versunkenen Welt, zu der niemand Zugang hat oder findet. Nicht einmal ich!«
    Breidel nahm die Angaben in ihren Laptop auf. Schultz beobachtete Krawinckel. Fast kam Mitleid in ihm auf. »Wer war der Mann und unter welchen Umständen trug sich die Straftat zu? Können Sie uns das bitte etwas genauer erklären?«
    Krawinckel suchte keinen Blickkontakt mehr, nicht einmal mit seinem Anwalt. »Er heißt Wolfgang Beuchert und ist der Adoptivvater der beiden Mädchen Sunita und Rupa. Darauf kommen wir ja sicher noch. Ich hänge aus emotionalen Gründen an der Region um den Vogelsberg. Meine Familie kommt ursprünglich von dort. Deshalb habe ich Beuchert das Häuschen abgekauft, das ihm früher gehörte. Beuchert und ich haben das gemeinsam begossen. Lisa-Marie war mit dabei.«
    »Das deckt sich mit den Angaben Ihrer früheren Gattin, Frau Janssen«, sagte Schultz.
    Die starr auf den Boden gerichteten Augen Krawinckels verrieten nicht, ob er den Hinweis zur Kenntnis genommen hatte.
    »Was soll ich groß in die Details gehen? Lisa-Marie ist so unbedarft, so vertrauensselig. Beuchert andererseits hat öfter einen ungebremsten Hang zum Alkohol. Ich hatte noch einen späten Termin und musste zeitweilig weg. Als ich zurückkehrte, fand ich beide in einer anstößigen Situation vor.«
    »Das heißt?«
    »Aus den Umständen musste ich den Eindruck gewinnen, Beuchert habe sich an Lisa-Marie vergriffen.«
    »Können Sie das etwas genauer erklären?«
    »Ersparen Sie mir bitte Einzelheiten. Ich weiß sie nicht mehr und will sie nicht mehr aufleben lassen. Es ist schrecklich genug.« Schultz langte heimlich in seine Schreibtischschublade und steckte sich etwas in den Mund. »Das stimmt jedenfalls nicht völlig mit der Aussage von Frau Janssen überein. Ihr gegenüber sollen Sie deutlicher geworden sein. Für heute mag es dahinstehen. Wir müssen diese Fragen erst vertiefen, wenn eine strafrechtliche Verfolgung von Herrn Beuchert geprüft wird.«
    Mit einem Ruck hob Krawinckel den Kopf. Er blickte traurig, aber auch trotzig. »Das mag alles sein, hat aber für mich kaum noch eine Bedeutung. Ich habe zur Kenntnis genommen, dass Sie meine ehemalige Frau vernommen haben. Warum auch nicht? Ich

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