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Das juengste Gericht

Das juengste Gericht

Titel: Das juengste Gericht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Udo Scheu
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dass du mit ihr in den Märchenpark gehen willst. Sie kann, genau wie ihre Schwester, nicht deutlich zeigen oder gar sagen, wenn sie sich freut. Ich habe sie aber dabei erwischt, wie sie sich verschiedene Kleider aus dem Schrank holte und überlegte, was sie anziehen soll.«
    »Wir gehen in die Küche«, entschied Karin Beuchert. »Phillip ist ein Teil der Familie. Da müssen wir nicht groß Hof halten. Außerdem hat Wolfgang im Wohnbereich die Heizung noch nicht in Betrieb genommen.«
    Beuchert blickte zum Himmel und wischte sich mit der flachen Hand den in Rinnsalen von der Stirn tropfenden Schweiß.
    »Wäre es zu viel verlangt, wenn du auch einmal kleinere Handgriffe wie das Umdrehen eines Heizungsschalters übernehmen würdest? Mich erstaunt, dass du überhaupt das Bett verlassen hast.«
    Krawinckel machte eine beschwichtigende Handbewegung.
    »Zankt euch nicht, Kinder. Gebt dem Tag eine Chance, der schönste eures Lebens zu werden.«
    Karin Beuchert hängte sich bei Phillip ein und zog ihn in Richtung Küche. »Du bist immer so prosaisch, Phillip. Wenn Wolfgang nur einen Hauch deiner Umgangsformen und deiner Mentalität hätte.«
    In der Küche nahmen alle drei Platz. Beuchert stieß Krawinckel an. »Ist der Märchenpark überdacht? Wenn ich mir so das Wetter anschaue, werdet ihr kaum einen offenen Freizeitpark aufsuchen können. Mit Sunita konntest du in solchen Fällen einen Einkaufsbummel machen. Dafür dürfte Rupa noch zu klein sein.«
    Krawinckel fuhr sich durch sein Haar und betrachtete anschließend von allen Seiten seine frisch lackierten Fingernägel.
    »Wir werden schon etwas finden. Wenn es mit dem Märchenpark wegen des Regens nichts werden sollte ...«
    Rupa betrat die Küche. Sie hatte sich für einen rosa Strickpulli mit angenähten bunten Bommeln und eine dunkelblaue Jeans entschieden. Sie stand da, als habe man eine kleine Elfe in eine unpassende Umgebung versetzt.
    Ihre langen seidigen Haare verliehen ihr ein märchenhaftes Aussehen. Mit dem zarten Gesicht und den tanzenden Bewegungen hätte sie die Idealbesetzung für eine Primaballerina in einem Kinderballett abgegeben. Sie war derart zierlich, dass die Sorge aufkommen konnte, die Kleidung werde bei der ersten Bewegung an ihrem Körper hinabrutschen.
    Karin Beuchert presste die Lippen zusammen und packte sie am Arm. »Kannst du nicht wenigstens einen guten Morgen wünschen? Wo Onkel Phillip so freundlich ist und dir einen schönen Tag bereiten will? Außerdem musst du dir noch einen warmen Mantel mitnehmen. Es ist kalt draußen.«
    »Was sie nur hat?«, sagte Karin Beuchert.
    Krawinckel lächelte und winkte ab. »Lass sie nur. Sie ist noch ein Kind. Außerdem muss sie den Tod ihrer Schwester verarbeiten. Es ist gut, wenn sie heute etwas anderes zu sehen bekommt.« Rupa betrat wieder die Küche. Sie hatte sich einen hellgrauen gefütterten Cordmantel umgehängt und schaute fragend zu Krawinckel hin. Der legte ihr die Hand auf den Rücken und schubste sie aus der Küche in den Flur. Rupa zog leicht die linke Augenbraue hoch und drehte ihren Kopf zu Krawinckel. Sie warf ihm einen Blick zu, der deutlich machte, dass sie sich ohne Unterstützung fortbewegen wollte.
    Karin und Wolfgang Beuchert folgten. Beuchert küsste Rupa, Karin Beuchert umarmte Krawinckel zum Abschied. Sie winkte Rupa zu, ohne sie anzuschauen.
    Unter dem aufgespannten Hotelschirm verließen Rupa und Krawinckel das Haus. Krawinckel zögerte einen Augenblick, ob er Rupa auf die Rückbank setzen sollte, entschied sich aber für den Beifahrersitz. Das Angebot von Beuchert, ihm rasch den Kindersitz zu holen, hatte er abgelehnt. Er schnallte Rupa fest, rannte um das Auto und ließ sich auf den Fahrersitz fallen. Den Schirm hielt er noch aus der Tür und ließ ihn eine Weile abtropfen. Dann warf er ihn mit einer schnellen Handbewegung auf die Rücksitze und fuhr los.
    Krawinckel musste sein GPS nicht in Betrieb nehmen. Er wusste, wohin er wollte. Für den Märchenpark war kein Wetter. So viel stand fest. Der Regen verlangte nach geschlossenen Räumlichkeiten.
    Nach etwa vierzig Minuten Autobahnfahrt erreichte Krawinckel die in den Vogelsberg führende Landstraße. Eine weitere Viertelstunde später erreichte er Freiensteinau, bog auf einen Feldweg ein und hielt nach wenigen Metern vor einem kleinen Haus am Waldrand. Es war aus massiven hellbraunen Natursteinen errichtet und hatte ein dunkelbraunes Ziegeldach. Zur Terrasse hin war ein Wintergarten angebaut worden.
    Die Frontseite des

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