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Das juengste Gericht

Das juengste Gericht

Titel: Das juengste Gericht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Udo Scheu
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griff mit dem Zeigefinger hinein und hob die Platte an. Im Anschluss daran langte er unter den Boden und bediente dort einen Lichtschalter. Die beleuchtete Öffnung zeigte einen kleinen Kellerraum, der mit den üblichen Baumarktmöbeln und einem Fernseher komplett eingerichtet war. Eine einklappbare Holztreppe führte nach unten.
    Mit raschem Griff langte er nach Rupas Arm. »Schnell! Geh da hinunter. Es ist schön dort. Deine Schwester hat sich immer gern in diesem Zimmer aufgehalten. Es ist wie eine Höhle. Ich komme gleich nach, sobald ich den Besucher losgeworden bin.«
    Rupa zögerte einen unmerklichen Moment. Es wird Situationen geben, wo du alleine und unsicher bist, was du tun sollst. Ich kann dich nicht immer als große Schwester beschützen. Die Menschen hier haben nur Geld und ihren Spaß im Kopf. Dafür tun sie sogar Böses. Aber sie können uns nicht wirklich weh tun. Du musst dich nie vor ihnen fürchten. In Indien haben wir gelernt, dass die äußeren Sachen keine Bedeutung haben. Die einzigen wichtigen Dinge sind in uns selbst drin. Deshalb vertraue immer auf deine innere Stimme. Das ist deine Stärke, hörte sie Sunita sagen.
    Ihre kleine Hand umklammerte das Treppengeländer. Mit festem Schritt stieg sie vorsichtig in die Tiefe.
    Krawinckel kicherte lautlos vor sich hin. Lächelnd ging er in die Küche und goss sich einen Schnaps ein.

15. Kapitel
    Um die Mittagszeit desselben Tages zog sich Köhler keuchend an dem hölzernen Treppengeländer des herausgeputzten Stilaltbaus in der Martin-Luther-Straße zum dritten Stockwerk hoch. Schreiner war ihm immer ein paar Treppen voraus und feixte.
    »Das ist der falsche Weg, um eine Versetzung in die Frührente zu provozieren. Darauf fällt niemand mehr herein. Du bekommst höchstens ein Dienstaufsichtsverfahren an den Hals, weil du deine Pflicht zum Dienstsport vernachlässigt hast.«
    Die beiden Polizeibeamten hatten problemlos die Wohnung des indischen Jungen Dubho ermittelt. Nach Schilderung der Klassenlehrerin sollte er der Vertraute von Sunita gewesen sein. Bei der Mutter von Dubho hatten sie sich telefonisch angemeldet und gefragt, wann er aus der Schule zurück sein würde. Sie waren mit einem der älteren unauffälligen Dienstwagen der Kripo vom Polizeipräsidium in den Frankfurter Stadtteil Nordend gefahren. Es war nur eine Fahrstrecke von wenigen Minuten gewesen.
    Auf ihr Klingeln öffnete die Mutter des Jungen. Die Frau war klein und zierlich, trug die langen schwarzen Haare nach hinten zu einem Knoten gebunden und war mit einem rot-goldenen Sari bekleidet. Nachdem sich Schreiner und Köhler ausgewiesen und vorgestellt hatten, nickte sie knapp zur Begrüßung und hielt die Wohnungstür geöffnet. »Treten Sie ein.«
    Frau Namgyal ging voraus und führte die beiden Beamten in einen hellen großen Raum, der spartanisch ausgestattet war. Er war im Wesentlichen von einigen großen Sesseln angefüllt, die mit gelber Naturseide bezogen waren und schwere hölzerne Armlehnen aufwiesen. Die Sessel waren in weitem Abstand voneinander an zwei gegenüberliegenden Wänden aufgestellt.
    Nachdem Frau Namgyal Platz genommen hatte, bot sie Schreiner und Köhler zwei Sessel auf der anderen Zimmerseite an.
    »Entschuldigen Sie, wenn mein Deutsch nicht perfekt ist. Wir sind noch nicht lange in diesem Land. Brauchen wir meinen Sohn Dubho? Ich habe mir alles von ihm erzählen lassen, was Sie am Telefon als Anlass für Ihren Besuch genannt hatten.«
    Köhler tauschte mit Schreiner einen kurzen Blick. Er rutschte auf dem Sessel nach hinten, konnte sich aber wegen der Länge der Sitzfläche nicht zurücklehnen, ohne dass seine Unterschenkel mit auf den Seidenbezug gekommen wären. Mit freundlicher Miene setzte er sich wieder etwas weiter nach vorn und stützte die Handflächen auf die Knie. »Ihr Deutsch ist hervorragend. Trotzdem wären wir Ihnen sehr dankbar, wenn Ihr Sohn bei dem Gespräch dabei sein dürfte. Wir würden ihn gerne unmittelbar befragen. Manchmal kann uns eine Angabe durch die Wahl der Worte weiterhelfen. Außerdem wissen wir aus Berufserfahrung, dass sich gelegentlich Anschlussfragen ergeben können.«
    Frau Namgyal wandte ihr Gesicht zur Tür. »Dubho? Komm bitte zu uns und setz dich hier neben mich.«
    Dubho trat ein. Er schien vor der Tür gestanden zu haben. Der Junge machte einen auffällig gepflegten Eindruck. Er trug eine randlose Goldbrille und war mit Jeans und einem roten Sweatshirt bekleidet, das mit einem goldenen Buddha bedruckt war. Seine

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