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Das juengste Gericht

Das juengste Gericht

Titel: Das juengste Gericht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Udo Scheu
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Häuschens eröffnete einen grandiosen Blick über endlose Felder bis hin zu einer Mittelgebirgskette am Horizont. Mitten durch die zum Teil mit Gras bestandenen Äcker schlängelte sich ein kleiner Weg, an dessen leicht abschüssigen Ende man eben noch die Spitzen der Dächer eines kleinen Dorfes erkennen konnte.
    Rupa warf einen Blick aus dem Seitenfenster des Autos. Während der gesamten Fahrt hatte sie nicht ein einziges Wort gesprochen. Sie hatte Krawinckel aus den Augenwinkeln beobachtet und sich die Erzählungen ihrer Schwester Sunita über ihn in Erinnerung gerufen. Am Anfang hatte ich Angst vor ihm. Ich meinte, ihm in allem folgen zu müssen, wozu er mich aufforderte. Später tat er mir nur noch leid, weil er ein Schwächling ist , hatte Sunita ihr einmal abends vor dem Einschlafen gesagt.
    Krawinckel machte sich wegen der Schweigsamkeit Rupas keine Sorgen. Kinder waren wohl so geartet. Er hatte sich die Zeit während der Fahrt mit einigen Musik-CDs vertrieben. Musik der Welt, mit indischen Kinderchören. Ihm war aufgefallen, dass Rupa interessiert zugehört hatte.
    Vor dem Landhaus stieg Krawinckel aus und öffnete das gewaltige hölzerne Gartentor, das in den Metallzaun eingebaut war. Er stellte den Wagen in die Einfahrt des riesigen Grundstücks, das von zahlreichen heimischen Bäumen und Sträuchern bestanden war. Anschließend schaute er zu Rupa hin. »Kannst du alleine aussteigen, oder soll ich dir helfen?«
    Rupa nestelte am Sicherheitsgurt. »Es geht schon.« Krawinckel ging um das Fahrzeug herum zum Kofferraum und entnahm ihm eine ockerfarbene Ledertasche. »Ich habe uns ein bisschen was zum Essen mitgenommen. Gefällt es dir hier?«
    Das Mädchen nickte. Rupa hatte sich zwischenzeitlich aus dem Auto befreien können und folgte Krawinckel zur Haustür, die aus dunkelbraunem Holz war. Sie entsprach farblich dem Gartentor und der Umzäunung der Terrasse.
    Den Lichtschalter musste Krawinckel mit der Hand ertasten.
    »Ich muss erst einmal die Läden öffnen, damit wir etwas sehen können.«
    Der kleine quadratische Flur lag in einem gedämpften Lichtschein. Rupa blieb stehen und schaute zu Boden. Von ihrer Umgebung nahm sie keine Notiz.
    Als Krawinckel zurückkehrte, hängte er zunächst Rupas Cordmantel auf. Anschließend wollte er sie an der Hand nehmen und ihr die Räume zeigen. Sie griff in ihre Hosentasche und gab vor,
    etwas zu suchen. Nach einer Weile des Wartens ging Krawinckel alleine voran. »Gestern Abend habe ich Herrn Funk angerufen und ihn gebeten, die Heizung einzuschalten. Deshalb ist es so schön mollig hier. Herr Funk ist ein netter Mann, der sich um das Haus kümmert, wenn ich nicht da bin.«
    Sie waren im Wohnzimmer stehen geblieben, das einen weiten Ausblick auf die Felder gewährte. Die Miene von Rupa blieb unbewegt. Ihr war nicht anzumerken, ob sie zugehört hatte. Steif wie ein Stock stand sie da und schaute an Krawinckel vorbei zur Wand. Der beugte sich zu ihr herunter und streichelte ihr übers Haar. »Jetzt wollen wir es uns ein bisschen gemütlich machen. Was hältst du davon? Was möchtest du am liebsten machen? Ich habe ein paar schöne Kinderbücher hier, die ich deiner Schwester überlassen habe, wenn sie mich hier besucht hat. Sie war oft hier.«
    Krawinckel polierte seine Fingernägel an den Hosenbeinen.
    »Zum Essen ist es noch zu früh. Oder hast du schon Hunger? Nein, ich denke wir machen zuerst ein bisschen Programm. Möchtest du vielleicht lieber eine schöne DVD sehen? Ich habe ein paar spannende Kinderfilme da. Wir könnten uns einen davon anschauen. Erst einmal hole ich dir etwas zu trinken. Wahrscheinlich magst du jetzt am liebsten eine Cola.«
    Er ging zur Küche und kam kurz darauf mit einem sprudelnden Glas zurück. Rupa hatte noch immer dieselbe Haltung eingenommen. Krawinckel reichte ihr das Glas und betrachtete sie einen Moment. Dann drehte er den Kopf in Richtung der Haustür. »Ich glaube, es hat eben geläutet. Man hört das kaum, weil die Klingel so leise ist. Ich wollte sie schon immer mal austauschen lassen.«
    Spontan ergriff er Rupa bei der Hand und zog sie mit sich in den Flur. »Warte! Es muss dich nicht jeder hier sehen. Die Leute kommen heutzutage auf äußerst seltsame Gedanken. Das verstehst du noch nicht. Pass auf!«
    Krawinckel hob den bunt gemusterten Teppich an, der wesentliche Teile der braunen Fliesen im Flur bedeckte. Darunter befand sich eine rechteckige Pressspanplatte, in die ein kleines kreisförmiges Loch eingelassen war. Er

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