Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das Kabinett der Wunder

Titel: Das Kabinett der Wunder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Rutkoski
Vom Netzwerk:
müssen.«
    Sie beugte sich zu der Blume vor und sagte: »Marjeta.« Das war das Wort für »Perle«. Es war auch der Name von Petras Mutter. Die Kugel der Blume fiel in sich zusammen und die Samen wirbelten zu der Stelle auf dem Boden, wo der Teppich gelegen hatte. Astrophil quiekte, als ein Brett zur Seite glitt und ein Versteck freilegte, von dessen Existenz er nichts gewusst hatte.
    Das war so einfach gewesen. Petra grinste und schüttelte den Kopf.Wenn sie zurückkam, musste sie ihren Vater daran erinnern, das Passwort zu ändern.
    Neben der Höhlung kniend, tastete sie mit der Hand hinein und schnappte nach Luft, als sie an etwas Hartes stieß. Sie spürte Stoff und zog ihn hoch. Das ging nur schwer. Es war ein mit einer Schur zugebundener Sack. Sie machte ihn schnell auf, blickte hinein und sah … nichts. Verblüfft fuhr sie mit der Hand hinein und schrie leise auf, als sie
sich schon wieder an demselben harten Etwas stieß. Nicht weiter auf den Schmerz achtend, tastete sie nun behutsamer in den Sack und spürte dem Umriss von etwas Langem und Zylindrischem nach, das ein scharfes und spitzes Ende hatte. Plötzlich erkannte sie, was das war: ein Schraubenzieher. Es war eines der unsichtbaren Werkzeuge, die ihr Vater vor Jahren gemacht hatte. Kein Wunder, dass sie die nie im Laden hatte finden können! Ihre Hand glitt schnell über die Werkzeuge und ertastete einige von ihnen. Was machten die hier?
    Nun war keine Zeit mehr, sich die Antwort zu überlegen. Hastig band sie den Sack wieder zu und schob ihn dorthin, wo er gelegen hatte. Dann wühlte sie weiter nach irgendwelchen Papieren oder einem Notizbuch, bis ihre Fingerspitzen einen glatten Pergamentband berührten, den sie herausholte. Sie hielt sich nicht damit auf hineinzusehen, sondern stopfte ihn in ihren Sack. Während Astrophil an ihrem Ärmel zupfte, tastete sie nach der verborgenen Messingblume, drückte darauf und flitzte bereits, so leise sie konnte, aus dem Raum, als das Dielenbrett an seinen alten Platz zurückglitt.
     
     
    Tomik wartete auf sie an der Straße, die von Okno nach Prag führte. »Wo bist du gewesen, Petra? Es ist schon fast Tagesanbruch! Lucie und Pavel können jeden Augenblick vorbeikommen.« Er hielt ihr einen kleinen Stoffbeutel hin. »Ein kleines Abschiedsgeschenk. Nutze sie gut. Wirklich, gebrauch sie nur dann, wenn es sein muss, denn die Wirkung wird … dramatisch sein.«

    Petra machte den Beutel auf und sah hinein. Drei Glaskugeln zwinkerten ihr zu. »Du hast doch nicht etwa …!«, sagte sie.
    »O ja, ich hab. Jungfer Wespe gehört allein dir.«
    »Was ist die dritte?« Sie langte hinein, fischte in dem Beutel herum und holte eine Kugel heraus, die kein wütendes Insekt oder Blitzsplitterchen enthielt. Sie hob die Kugel hoch, um genauer zu sehen, und erkannte einen Wasserstrahl, der im Inneren herumspritzte.
    »Ein Wunder. Wie bestellt. Es war deine Idee, Wasser reinzutun. Erinnerst du dich?«
    »In Wirklichkeit war es die von Astro.« Sie schüttelte die Kugel und sah dem anmutigen Tanz des Wassers zu.
    »In der Tat war das meine Idee.« Astrophil baute sich zur vollen Größe auf.
    »Aber sie hat ein paar entscheidende Verbesserungsvorschläge gemacht«, sagte Tomik zu der Spinne. »Und jetzt im Ernst, Petra.Versuch zu vermeiden, dass eine davon zerbricht, bevor du sie brauchst, um dich vor irgendetwas zu schützen. Du weißt, ich habe den Wespenschwarm nicht getestet.« Er klopfte an die Kugel mit der Wespe. »Und auch nicht das Blubbern. Also zerbrich sie nicht, es sei denn, du musst es einfach tun.«
    »Wie nennst du die mit dem Blitz?«
    »Bin mir nicht so sicher. Irgendeine Idee?«
    Petra fiel ein, an was sie gestern Abend gedacht hatte, ehe sie einschief: ein leuchtendes Insekt. »Wie wäre es mit ›Glühwürmchen‹?«
    Noch ehe Tomik antworten konnte, hörten sie das Klappern
von Pferdehufen und das Rattern eines Wagens. Er drückte Petra fest an sich. »In ein paar Wochen sehen wir uns wieder!«
    Dann riss er sich los und lief schnell in den Wald. »Willst du nicht auf Lucie und Pavel warten?«, rief sie hinter ihm her.
    Er drehte sich um. »Die sehe ich oft genug. Übrigens, gib acht, dass du Astrophil in der Stadt gut versteckt hältst. Er wird sonst gestohlen. Und pass auch auf dich selbst auf!«
     
     
    So weit, so gut. Lucie und Pavel warfen keinen weiteren Blick auf den Brief, und die junge blonde Frau freute sich, Petra zur Gesellschaft zu haben. Sie saß hinten im Wagen, dessen gläserne Fracht bei

Weitere Kostenlose Bücher