Das Kabinett der Wunder
dass ich keine Kleider tragen könnte oder dass es vielleicht nicht einmal einen Boden unter uns geben könnte, was das betrifft. Jetzt im Augenblick ist meine Haut in einer gering ätzenden Phase. Doch manchmal habe ich Säureattacken, und es ist kaum vorherzusagen, wann sie auftreten. Deshalb sind die Drähte und Rahmen meiner Brille, bestimmte Töpfe hier im Raum, ein Stuhl hinter dem Vorhang und der Türgriff aus Adamantine gemacht.« Sie bemerkte Petras
verblüfften Ausdruck. »Oh, ich vergesse immer wieder, wie viele Dummköpfe in diesem gottverlassenen Haufen Steine herumschleichen, den sie eine Burg nennen. Adamantine ist …«
»Das stärkste Metall der Welt«, flüsterte Petra.
»Also, ja.« Die Frau verbarg ihre Überraschung nicht. »Aber was weißt du denn darüber?«
Wie konntest du übersehen, dass der Türgriff aus Adamantine ist? , schulmeisterte Astrophil.
Was soll der Vorwurf? Wieso hast du es selbst übersehen? Komm schon, Astro , dachte sie abwehrend, der Griff ist mit Emailfarbe gestrichen. Doch sie fand sich schon ein bisschen dumm, denn wäre sie nicht davon abgelenkt gewesen, durch die Brille zu schauen, wäre ihr die matte und langweilige Farbe der Brillenbügel aufgefallen.
»Adamantine ist unzerstörbar«, sagte Petra laut. »Schwerter, die daraus gemacht sind, können nicht zerbrochen oder stumpf werden. Das Metall kann nicht eingeschmolzen werden. Es ist schwer zu finden und schwierig zu schmieden, was es …«
»… ziemlich teuer macht. Genau. Und obwohl der Prinz meine Fähigkeiten schätzt, bezahlt er nicht die Rechnung für jedes Gerät und jedes Möbelstück in meinem Labor, das aus Adamantine bestehen sollte. Ich könnte das natürlich selbst bezahlen, aber warum sollte ich? Kannst du dir vorstellen, wie unerträglich es ist und wie sehr es einem das Herz zerreißt, die vollkommene Tönung von Korallenrot erzielt zu haben, und dann schmilzt dir der Topf plötzlich in den Händen? Der Farbstoff spritzt in alle Richtungen
und ist verloren oder aber die Säure gelangt in den Farbstoff und lässt ihn schwarz werden. Und da kommst du ins Spiel. Du führst meine Anweisungen aus. Du bist meine Hand.«
»Aber wenn der Türgriff aus Adamantine besteht, warum habt Ihr dann zwei? Der Eisengriff ist doch eigentlich unnötig, oder? Wenn Ihr selbst den roten Griff anfasst, nimmt das Adamantine die Säure auf und jeder sonst kann den Griff ebenfalls benutzen.«
Die Frau war hell empört. »Aber das ist mein Türgriff! Wie kommst du darauf, ich könnte wünschen, dass ihn jeder anfasst? Hast du überhaupt eine Vorstellung davon, wie oft am Tag ihr morastigen Diener euch die Hände wascht? Ich kann es dir sagen: Keinmal! Du wirst den eisernen benutzen, ist das klar?«
»Ja, Herrin …« Petras Stimme erstarb. Ihr wurde klar, dass sie keine Ahnung hatte, wie sie die Frau anreden sollte.
»Iris.«
»Herrin Iris?«
»Einfach Iris, bitte. Ich habe keine Zeit für Affektiertheiten und Speichelleckereien. Überlass das dem Hof.«
»Ist das Euer Vor- oder Nachname?«
»Also wenn du es unbedingt wissen willst, ich heiße Irenka Grisetta December, sechste Gräfin von Krumlov. Aber das ist eine zu schwachsinnige Anhäufung von Silben, um es auszusprechen. Du kannst mich kurz und schmerzlos Iris nennen. Und das ›Ihr‹ lässt du auch sein.«
Krumlov! Astrophils Beine zuckten aufgeregt an Petras Ohr. Sie ist Mitglied einer der mächtigsten Familien in Böhmen!
Sind eng mit dem Prinzen verwandt. Krumlov ist ein gewaltiger und großartiger Landbesitz und seine Hauptstadt soll eine Miniaturausgabe von Prag sein.Was in aller Welt macht sie hier? Sie sollte Bälle veranstalten und Pläne schmieden, ihren Neffen auf den Thron zu bringen, und nicht irgendwelche Farbstoffe herstellen.
Petra wusste, dass einige der wichtigsten Positionen in der Burg mit Mitgliedern des Adels besetzt waren. Doch sie war, genau wie Astrophil, erstaunt, jemanden von so hohem Rang wie einen ganz normalen Menschen in einem Labor arbeitend anzutreffen, Türgriff aus Adamantine hin oder her. Vielleicht liebt sie ihre Arbeit ja , überlegte Petra.
Mit großer Lässigkeit hatte Iris zwar ihren Namen genannt, es aber nicht für nötig befunden, nach Petras Namen zu fragen. Stattdessen befahl sie Petra nun, einen Mörser mit Stößel und ein Gefäß vom obersten Brett dicht bei einem der Dachfenster zu holen. In dem Gefäß wimmelte es von schwarzen Insekten. Petra brachte alles zum Tisch.
»Wir stellen jetzt einen leuchtend
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