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Das Kabinett der Wunder

Titel: Das Kabinett der Wunder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Rutkoski
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unsanft ab. Als Iris’ Helferin hatte Petra einen Pass, mit dem sie zwar zum Denkerflügel Zugang hatte, doch alle anderen Bereiche waren ihr verwehrt.
    Langsam kam ihr der Verdacht, dass ihr Plan, sich eine Arbeit in der Burg zu suchen, um die Augen ihres Vaters zurückzuholen, ein Fehler gewesen war. Es trug auch nicht grade zur Hebung ihrer Stimmung bei, dass der einzige Mensch, der gesagt hatte, er wollte ihr helfen, nirgendwo zu sehen war. Neel war so unsichtbar, als hätte Kristof sein Porträt gemalt. Sie vermutete, dass Neel sich gar nicht erst um eine Arbeit im Stall bemüht hatte.
    Wenn Petra in der Färberei war, gab es für sie keine ruhige Minute, und sie merkte voller Erstaunen, dass sie das beruhigte. Iris’Anweisungen zu befolgen, hielt sie davon ab, weiter darüber nachzudenken, dass sich ihr Plan zu einem Fehlschlag entwickelte. Und während sie langsam lernte, wie sie Farbstoffe vorbereiten und mischen musste, wuchs in Petra der Verdacht, dass sie hier für etwas büßte: Nicht
stärker versucht zu haben, das Handwerk ihres Vaters zu erlernen. In der Färberei gab sie sich Mühe, alles richtig zu machen. Iris kritisierte Petras Arbeit, doch das Mädchen wusste, dass sie geschickt darin war, Iris’ Anweisungen auszuführen. Auch wenn sich Iris beschwerte, hatte Petra immer öfter das Gefühl, dass ihre Worte eigentlich ein Lob waren, das sich hinter einem miesepetrigen Tonfall verbarg. Wenn sie zum Beispiel sagte: »Du grundierst das Ocker zu fein!«, dann kannte Petra den Unterschied zwischen diesem Kommentar und Worten, die sie in echter Wut benutzte wie bei einer Gelegenheit, als Iris über eine eingegangene Bestellung für ein Haarfärbemittel schimpfte.
    »Als ob ich sonst nicht genug zu tun hätte! Als ob es bei mir nichts Vordringlicheres gäbe, als dem Haar der Dame Hortensia sein sonniges Gelb zu erhalten! Wenn du mich fragst, wäre es für sie sehr viel einfacher, einen geeigneten Gatten zu finden, wenn sie sich ein neues Hirn kaufen würde. Aber nein! Alle müssen auf dem Ball des Prinzen so gut wie möglich aussehen, und es schert sie einen Dreck, dass ich kurz davor bin, eine wichtige Entdeckung zu machen.«
    Der Prinz, so erzählte Iris, wurde bald neunzehn. Zu seinen Ehren würde ein aufwendiges Fest veranstaltet werden. Ihr Geschenk an ihn sollte die Erfindung einer neuen Grundfarbe sein.
    »Gegenwärtig gibt es nur drei Grundfarben: Blau, Gelb und Rot. Jede andere Farbe ist eine Mischung aus diesen drei. Ausgenommen Weiß, das nicht als Farbe zählt.«
    Weiß ist das Fehlen von Farbe , informierte Astrophil Petra.
    Das weiß ich , dachte Petra zurück.
    »Stell dir vor«, fuhr Iris fort und Licht spiegelte sich in ihren Brillengläsern, »stell dir vor, wenn es noch eine andere Grundfarbe gäbe. Das würde eine Welt voller Möglichkeiten eröffnen. Du kannst Rot und Gelb mischen, um Orange zu bekommen. Rot und Blau ergibt Violett. Aber was geschieht, wenn du eine neue Grundfarbe mit Rot mischst? Was sieht man dann?«
    Petra war an der Erfindung einer neuen Grundfarbe weniger interessiert als an dem Geburtstagsfest. Während dann alle so beschäftigt waren, konnte sie vielleicht in der Burg herumschleichen. »Findet das Fest hier statt?«, fragte sie, wobei sie hoffte, der Prinz würde beschließen, es in einem Jagdschloss Hunderte von Meilen entfernt stattfinden zu lassen.
    »Natürlich. Und du wirst einiges davon zu sehen bekommen.«
    »Wirklich?«
    »Oh ja. Prinz Rodolfo ist gut zu seinen Leuten. Er findet, dass alle an seinem Glück teilhaben sollen.«
    Petra war ziemlich erstaunt, dass eine Frau von Iris’ Intelligenz gut über jemanden denken konnte, von dem Petra wusste, dass er ein schwarzes Herz hatte. Doch eines Tages, als sie gerade eine Krappwurzel raspelte, stellte Petra folgende Frage: »Stellst du auch Kristofs Farben her?«
    »Kristof?« Iris machte ein finsteres Gesicht. »Ich vermute, du meinst den Polen vom Ende des Ganges.«
    »Ja, ich hab ihn letzte Woche kennengelernt.«
    »Ach ja? Ich möchte dir den guten Rat geben, dich
nicht mit ihm abzugeben. Du bist meine Helferin. Und wenn sich irgendjemand dranmacht, dich loszuwerden, dann werde ich das sein.«
    Petra verstand nicht, was sie meinte, aber offenbar stand Kristof nicht auf der Liste von Iris’ Favoriten. Doch wer außer dem Prinzen könnte auf dieser Liste stehen? »Also hast du seine Farben nicht hergestellt.«
    »Ganz bestimmt nicht. Ich habe Prinz Rodolfo gesagt, irgendjemand anderes müsste diese

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