Das Kadett
gegenüberliegenden Wand. »Du hast ihre Beschuldigungen nie bezweifelt«, sagte sie schließlich. »Nicht eine Sekunde lang.«
»Ich war viel mehr mit ihm zusammen als du. Er hat praktisch siebzehn Jahre wie eine Klette an mir gehangen.«
»Ja …« Sie rang die Hände im Schoß. »Ja, ich habe ihn immer nur flüchtig gesehen. Einmal im Monat kam er ins Dorf bei Vorkosigan Surleau und gab Mistress Hysop Geld – er blieb selten länger als eine Stunde. In eurer braun-silbernen Livrée sah er drei Meter groß aus. Ich war immer so aufgeregt, dass ich eine Nacht vor und nach seinem Besuch nicht schlafen konnte. Die Sommer waren himmlisch, weil ich ihn den ganzen Tag lang sehen konnte, wenn deine Mutter mich an den See einlud, um mit dir zu spielen.« Sie ballte die Fäuste. »Und alles war Lüge! Nach außen Glanz und Ruhm – und die ganze Zeit war darunter eine … eine Jauchegrube.« Ihr versagt die Stimme.
Miles versuchte so liebevoll zu sprechen, wie er nur konnte. »Ich glaube nicht, dass er gelogen hat, Elena. Ich glaube, er versuchte eine neue Wahrheit zu schmieden.«
Ihr Mund verzerrte sich.
»Die Wahrheit ist: Ich bin das uneheliche Balg eines wahnsinnigen Vergewaltigers, und meine Mutter ist eine Mörderin, die schon meinen Schatten hasst! Ich glaube nicht, dass ich von diesen beiden mehr geerbt habe als meine Nase und die Augen …«
Jetzt war es heraus! Die dunkle Angst, dies tiefe Geheimnis. Sobald Miles dies erkannt hatte, stürzte er sich darauf wie ein Ritter bei der Verfolgung eines Drachens in tiefster Höhle. »Nein! Du bist nicht wie sie! Du bist du. Eine eigenständige Person – völlig verschieden – unschuldig …«
»Gerade du sagst das! Du bist doch der größte Heuchler, den ich kenne!«
»Was?«
»Was bist du denn? Du bist die Krönung deiner Ahnen, die Blüte der Vor …«
»Ich?« Verblüfft schaute er sie an. »Vielleicht die Krönung der Degeneriertheit. Ein verkümmertes Unkraut …« Er hielt inne. Elenas Gesicht spiegelte sein eigenes Erstaunen.
»Stimmt, man kann sie addieren. Mein Großvater trug neun Generationen auf dem Rücken, mein Vater zehn, und ich elf. Ich schwöre dir, diese letzte wiegt mehr als alle anderen zusammen. Es ist ein Wunder, dass ich nicht noch kleiner zusammengedrückt bin. Im Augenblick komme ich mir kaum einen halben Meter groß vor. Bald bin ich ganz verschwunden.«
Er wusste, dass er einfach drauflos redete. Ein Damm in ihm war gebrochen, und er ließ die Fluten einfach dahinströmen.
»Elena, ich liebe dich. Ich habe dich schon immer geliebt …«
Sie sprang wie ein erschrecktes Reh hoch. Er schlang die Arme um sie. »Nein, hör zu! Ich liebe dich. Ich weiß nicht, was oder wie der Sergeant war, aber ich liebte auch ihn. Und was von ihm in dir steckt, verehre ich aus tiefstem Herzen. Ich kenne die Wahrheit nicht, und es ist mir auch verflucht egal. Wir werden unsere eigene Wahrheit schaffen und leben. Ich kann ohne Bothari nicht leben. Heirate mich!«
Die letzten beiden Worte schrie er heraus.
»Ich kann dich nicht heiraten. Die genetischen Risiken …«
»Ich bin kein Mutant! Sieh her, keine Kiemen!« Er zog mit den Händen die Lippen auseinander. »Kein Geweih!« Er legte die Daumen an die Schläfen und wackelte mit den Fingern.
»Ich dachte nicht an deine genetischen Risiken, sondern meine – seine. Dein Vater muss gewusst haben, was er war – nie wird er einwilligen …«
»Also, hör mal! Wer in direkter Linie von Kaiser Yuri dem Wahnsinnigen abstammt, hat wirklich kein Recht die Gene eines anderen zu kritisieren.«
»Dein Vater ist seiner Klasse loyal, Miles, ebenso dein Großvater und Lady Vorpatril – niemals könnten sie mich als Lady Vorkosigan akzeptieren.«
»Dann stelle ich sie vor eine Alternative: Ich erkläre, dass ich dann Bei Thorne heiraten will! Was meinst du, wie blitzschnell sie ihre Meinung ändern.«
Elena saß hilflos da und drückte das Gesicht ins Kissen. Ihre Schultern bebten. Miles war einen Augenblick lang zu Tode erschrocken, dass er wieder schuld an einem Tränenausbruch war. Hoffentlich kein Nervenzusammenbruch.
»Verdammt! Ich hasse dich, weil du mich immer zum Lachen bringst, du Scheusal.«
Ermutigt sprach er schnell weiter: »Und wegen des Klassenbewusstseins meines Vaters wäre ich mir auch nicht so sicher. Schließlich hat er selbst eine Frau aus einem anderen Volk geheiratet.«
Er wurde ernst. »Und wegen meiner Mutter brauchst du dir nun wirklich keine Sorgen zu machen. Sie hat sich
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