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Das kalte Schwert

Das kalte Schwert

Titel: Das kalte Schwert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Morgan
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kreischte Darhan in enttäuschter Wut: »Er ist frei, ihr Blödmänner! Er haut ab!«

    Der Kommandant tänzelte zurück, Blut quoll aus seinem Kinn hervor, und er presste die Hand gegen die Wunde. Der Säbel war weg. Keine Zeit, ihn zu packen. Die Menge schaute zu und brüllte wie bei einem sportlichen Wettkampf. Egar ging schnurstracks auf einen weiteren Wächter los, bekam einen tiefen, kräftigen Hieb gegen die Hüfte, den er ignorierte. Hielt die Stellung und erwiderte den Hieb mit dem Knüppel, traf die Seite des Kopfs, vernahm ein Knirschen, und der Mann ging bewusstlos zu Boden.
    Die anderen rannten heran. Das kann nicht mehr lange gut gehen, Drachentöter. Er entdeckte seine nächste Waffe und knurrte in grimmiger Freude. Tauschte Hiebe mit einem neuen Angreifer aus, schrie ihm ins Gesicht, um ihn zu erschrecken, und duckte sich, schoss an ihm vorbei zu Hitze und hellem Licht. Packte die Fackel beim Stab, zog sie mit einem triumphierenden Gebrüll aus dem Boden und schwang sie. Die Flammen zischten durch die Luft.
    Er hatte Glück und traf zwei der verbliebenen Wächter, die sich auf ihn stürzten, mit ein und demselben Streich. Brocken ölgetränkter Bänder und Pech rissen sich los und verfingen sich in Kleidung und Haar. Die Flammen loderten empor. Die brennenden Männer tänzelten zurück und schlugen voller Panik auf sich ein. Egar riss den Kopf zurück und stieß wie ein Berserker ein Geheul aus, das ihm wie eine Axt durch den schmerzenden Kopf fuhr und die Luft durchschnitt wie ein riesiger, wütender Raubvogel. Er schwang Knüppel und Fackel. Zog die Flamme erneut durch die Luft, dass es zischte.
    »Dann kommt schon! Wer möchte noch was?«
    Er brüllte auf Majakisch, ohne es recht zu wissen – harte, exotische Silben, welche die meisten nicht verstehen würden. Er sah Männer, die ihn in der Dunkelheit beobachteten, versammelte
Gesichter wie ein Theaterpublikum – aufgeregt, entsetzt  –, keines auch nur entfernt geneigt, es mit ihm aufzunehmen.
    Zehn Schritte entfernt in seinem Rücken der Fluss. Egar entdeckte Darhan nahe an seiner Flanke, das Langmesser gezogen. Er richtete die Fackel auf ihn, starrte an ihr entlang durch die wabernde heiße Luft, wo die Flammen tanzten.
    »Du, du Arschgesicht!«, schrie er. »Dich krieg’ ich noch!«
    Er schleuderte die Fackel auf ihn und sah mit tiefster Befriedigung, wie Darhan zurückzuckte. Dann drehte er sich um und spurtete zum Flussufer.
    Warf den Knüppel weg, als er es erreichte.
    Sprang kopfüber hinein, hinein in das schwarze Wasser.

37
    Ringil benötigte länger, als ihm lieb gewesen wäre, bis er die Brücke des schwarzen Volks erreicht hatte. Die Straßen unterhalb des Palastes auf der Seite der Flussmündung waren überfüllt, und schneller als eine Schnecke mit Juraexamen kam man kaum voran. Wagen, Karren und alle Spielarten der Fortbewegung zu Fuß wetteiferten um Raum. Er hätte sich nur Platz verschaffen können, indem er seinem Pferd die Sporen gegeben und alles niedergeritten hätte, was zu langsam oder stur wäre, ihm aus dem Weg zu gehen.
    Aber das würde bloß Aufmerksamkeit erregen und Gewalttätigkeit der einen oder anderen Art auslösen, und obwohl ihn sein Kater geradezu anstachelte, jemandem mal so richtig die Fresse zu polieren, musste er im Augenblick so unverdächtig wie möglich bleiben und im Trubel von Yhelteths Herzen untertauchen. Archeth würde ihn gewähren lassen, das wusste er genau, und er klammerte sich an die Hoffnung, dass gleiches auch für Rakan galt. Aber früher oder später müsste Jhiral von seinem Abstecher erfahren, daher bliebe ihm nur wenig Zeit für sein Unternehmen. Also raffte er seinen kleinen Vorrat an Geduld zusammen wie einen fadenscheinigen Mantel, ertrug das langsame Pochen in seinem schmerzenden Kopf und saß auf seinem Pferd, bis zu den Knien in einem Strom aus Stadtbewohnern,
als würde er es mitten durch einen Fluss mit sommerlichem Hochwasser lenken, und kam langsamer voran, als wenn er zu Fuß gegangen wäre.
    Was ihm Zeit zum Nachdenken verschaffte, auf die er gern verzichtet hätte.
    In seinen Gedanken fiel das Blatt wieder kreiselnd zu Boden und legte sich zu der unendlichen Vielzahl seiner Vettern, die bereits ausgetrocknet und zusammengerollt auf dem Fußweg durch den Garten lagen. Rings umher herrschte ein Licht wie im Wald. Dann veränderte es sich, und er hörte hinter sich das Knirschen herannahender Schritte auf den pergamentartigen Blattresten.
    Er wusste, was er zu sehen

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