Das Karpatenschloß
zu-
zuhören, was die einen oder die anderen sagten. Die alte
Burg mit ihren geheimnisvollen Mauern, mit ihrem weit
zurückliegenden Ursprung und ihrem feudalen Aussehen
hatte ihm immer ebenso viel Neugier wie Respekt einge-
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flößt. Da er aber kein Feigling war, hatte er trotz des Aber-
glaubens, der ihn nicht weniger erfüllte als jeden anderen
Bewohner von Werst, doch wiederholt Lust verspürt, jene
Mauer zu übersteigen.
Natürlicherweise hatte ihn Miriota von einem so gefähr-
lichen Vorhaben hartnäckig zurückzuhalten versucht. Sol-
che Gedanken mochte er nach Gefallen hegen, solange er
noch frei war; ein Verlobter gehört sich aber nicht mehr
selbst, und wenn er sich in solche Abenteuer einließ, so
wäre das die Tat eines Narren oder eines gegen seine heiligs-
ten Pflichten gleichgültigen Menschen gewesen. Und doch
fürchtete das hübsche Mädchen immer, daß der Förster ein-
mal seine Absicht ausführen würde. Nur das eine beruhigte
sie ein wenig, daß Nic Deck nicht ausdrücklich erklärt hatte,
sich zur Burg begeben zu wollen, denn kein Mensch – selbst
sie nicht – hätten dann Macht genug über den jungen Mann
gehabt, ihn zurückzuhalten. Sie wußte, daß er ein worthal-
tender Bursche war, der auch tat, was er tun zu wollen ge-
sagt hatte. Miriota hätte gewiß die schwerste Beklemmung
empfunden, wenn sie nur ahnte, welchem Gedankengang
der junge Mann sich in diesem Augenblick hingab.
Da Nic Deck jedoch schwieg, wurde der Vorschlag des
Schäfers von niemandem weiter aufgenommen. Wer hätte
es auch jetzt, wo das Karpatenschloß entschieden verhext
war, wagen sollen, es zu besuchen, wenn er nicht schon vor-
her den Kopf verloren hatte? Jeder suchte also die geeig-
netsten »Gründe« hervor, sich davon loszukaufen. Der Biró
war nicht mehr in dem Alter, so etwas zu unternehmen. Der
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Lehrer hatte seine Schule zu besorgen, Jonas seinen Gasthof
zu führen; Frik hatte seine Schafe zu hüten und die anderen
Bauern hatten sich mit ihrem Vieh oder Heu zu beschäfti-
gen.Nein! Kein einziger wollte das Opfer einer solchen Un-
besonnenheit werden, und wiederholte für sich: »Wer so
kühn wäre, zur Burg zu gehen, dürfte von dort wohl nie wie-
der heimkehren!«
Da öffnete sich rasch die Tür der Gaststube. Alle schra-
ken zusammen.
Es war aber nur der Doktor Patak, und es wäre denn
doch schwierig gewesen, ihn für eine jener bezaubernden
Lamien zu halten, von denen Magister Hermod gesprochen
hatte.
Da sein Patient tot war – was seinem medizinischen
Scharfsinn alle Ehre machte – hatte sich Doktor Patak be-
eilt, in die Versammlung im ›König Mathias‹ zu kommen.
»Da seid Ihr endlich!« rief Meister Koltz.
Doktor Patak wechselte erst mit jedem einen kräftigen
Händedruck, als wenn er Arzneien ausgeteilt hätte, und rief
dann in halb spöttischem Ton: »Nun, Ihr Leute, immer ist’s
die Burg, das Teufelsnest, das Euch beschäftigt! – Oh, Ihr
Hasenfüße! Wenn das alte Schloß qualmen will, dann laßt’s
doch ruhig qualmen! Raucht denn Euer gelehrter Hermod
nicht, und noch dazu den ganzen langen Tag? Wahrlich,
das ganze Dorf ist bleich vor Schrecken! Ich habe bei mei-
nen Krankenbesuchen von gar nichts anderem reden hö-
ren! Die Geister haben da draußen ein Feuer angezündet.
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Warum denn nicht? Wenn sie sich nun den Schädel erkäl-
tet haben? Vielleicht frieren sie auch in den Zimmern des
Wartturms – oder sie mußten dort gerade Brot für jene Welt
backen! Man muß sich da oben doch schließlich auch er-
nähren, wenn es wahr ist, daß jeder dereinst wieder aufer-
steht! Vielleicht sind es Bäckergesellen aus dem Himmel,
die dort ihren Backofen eingerichtet haben.«
So platzte der Mann mit einem Scherz nach dem andern
heraus – freilich nicht nach dem Geschmack der Bewohner
von Werst, die solchen Spott ernsthaft verabscheuten.
Man ließ den Doktor reden.
Dann aber fragte ihn der Biró: »Sie schreiben also dem,
was auf der Burg vor sich geht, keinerlei Bedeutung zu,
Doktor?«
»Nicht die geringste, Meister Koltz.«
»Sagten Sie nicht früher einmal, Sie wären gleich be-
reit dorthin zu gehen, wenn man Ihnen das nicht zutrauen
sollte?«
»Ich? « erwiderte etwas stotternd der alte Krankenpfle-
ger, den es doch unangenehm berührte, daß man ihn jetzt
an seine Worte erinnerte.
»Nun freilich! Haben Sie das nicht wiederholt geäu-
ßert?« fuhr der Beamte unbeirrt
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