Das Karpatenschloß
das seine Die-
ner niemals leer werden lassen durften. Jetzt war es jedoch
mit Sand und Pflanzenresten angefüllt, mit grünlichem
Moos bewachsen und so morsch, daß es der geringste Stoß
vollständig zertrümmert hätte.
Am Ende der Bank erhob sich ein Steinpfeiler, der Rest
eines alten Kreuzes, von dessen Armen auf jenem nur noch
die halbverwitterte Fuge, die sie gehalten hatte, sichtbar war.
In seiner Eigenschaft als Freigeist konnte der Doktor Patak
natürlich nicht annehmen, daß ihn dieses, obendrein zer-
fallene Kreuz vor übersinnlichen Erscheinungen schützen
würde. Und doch war er – eine bei Ungläubigen oft beob-
achtete merkwürdige Anomalie – gar nicht fern davon, an
den Teufel zu glauben. Seiner Vorstellung nach mußte der
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Chort ja in der Nähe sein, denn er hielt das Schloß in sei-
nem Bann, und wenn dem Gottseibeiuns etwa das Lüstchen
anwandelte, ihnen beiden den Hals umzudrehen, würde ihn
weder das geschlossene Burgtor noch die aufgezogene Brü-
cke am Herauskommen hindern können.
Und wenn sich der Doktor überlegte, daß er eine ganze
Nacht unter solchen Verhältnissen zubringen sollte, da zit-
terte er wie Espenlaub. Nein, das hieß von der menschlichen
Natur zuviel verlangen, und seiner Meinung nach wäre dem
auch der willensstärkste Charakter unterlegen.
Da dämmerte ihm langsam noch ein Gedanke auf – ein
Gedanke, der sich seit dem Aufbruch aus Werst in seinem
Gehirn noch nicht gemeldet hatte. Jetzt war es Dienstag-
abend, und an diesem Tag hüten sich die Bewohner des Ko-
mitats weislich, nach Sonnenuntergang noch auszugehen.
Der althergebrachten Ansicht nach hieß es, die Begegnung
mit bösen Geistern geradezu herausfordern, wenn man sich
da noch über das Dorf hinaus begab. Am Dienstag verkehrt
nach Sonnenuntergang dort wirklich keine Seele mehr auf
den Landstraßen oder Feldwegen. Und jetzt sah sich der
Doktor Patak nicht nur außerhalb seines Hauses, sondern
sogar ganz in der Nähe eines verwunschenen Schlosses, fast
3 Meilen entfernt vom sicheren Dorf. Hier sollte er aushar-
ren bis zum Morgenrot des nächsten Tages – wenn er über-
haupt eines wiedersah! Wahrlich, das hieß doch den Teufel
versuchen!
Noch ganz diesen Vorstellungen hingegeben, sah der
Doktor seinen Gefährten ganz unbefangen ein tüchtiges
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Stück kaltes Fleisch aus dem Rucksack ziehen, nachdem
er sich vorher mit einem herzhaften Schluck gestärkt hatte.
Da meinte er, vorläufig nichts besseres tun zu können, als
es jenem nachzumachen, und das tat er denn auch. Nur ein
Stück Schinken und eine Schnitte Brot brauchte er, um die
verlorenen Kräfte wieder zu ersetzen. Doch wenn er damit
seines Hungers Herr wurde, seine Furcht und Angst be-
siegte er jedenfalls nicht.
»Nun wollen wir aber schlafen«, begann da Nic Deck,
der sich den Proviantsack am Fuß des Felsblocks schon als
Kopfkissen zurechtgelegt hatte.
»Schlafen, Förster?«
»Natürlich, Doktor! Gute Nacht also.«
»Eine gute Nacht ist leicht gewünscht, ich fürchte nur,
daß die heutige ein schlechtes Ende nimmt.«
Nic Deck, der zum Plaudern nicht in der Laune war, gab
keine Antwort. Schon lange daran gewöhnt, dann und wann
im Wald zu übernachten, suchte er sich, gegen die Steinbank
gelehnt, die bequemste Lage und fiel bald in tiefen Schlum-
mer. Der Doktor konnte schließlich nichts tun, als vor sich
hin zu brummen, als er sah, wie regelmäßig und tief sein
Begleiter atmete. Er selbst vermochte allerdings – nicht ein-
mal für wenige Minuten – Gesichts- und Gehörsinn außer
Dienst zu stellen. Trotz aller Ermüdung spähte und horchte
er nach allen Seiten hin und her. Sein Gehirn wurde eine
Beute der ausschweifendsten Trugbilder, wie sie die Qual
der Schlaflosigkeit zu gebären pflegt. Doch was wollte er
denn bei der jetzt völligen Finsternis wahrnehmen? Alles
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und nichts; die unbestimmten Formen der ihn umgeben-
den Gegenstände, die über das Himmelsgewölbe hinziehen-
den Wolken, die kaum erkennbare Steinmasse des Schlosses.
Dann waren es wieder die Felsblöcke des Orgallplateaus, die
Leben zu bekommen und eine Höllensarabande aufzufüh-
ren schienen. Wenn diese sich nun von ihrem Untergrund
ablösten, den Abhang herunterstürzten, wenn sie über die
beiden Vorwitzigen hinwegrollten, sie vor dem Tor der
Burg, die zu betreten ihnen gestern ausdrücklich verboten
worden war, zermalmten – was dann? Hatten sie ihr
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